Wiener Tagebuch: Wo der Klassenkampf besonders heftig tobt
Gleich hinter dem Rochusmarkt an der Ecke Kundmanngasse/Erdbergstraße betreibt die Stadt Wien eine kleine Bücherei. Eine Art Nahversorger für Wissensvermittlung und gehobene Unterhaltung. In den Fenstern der städtischen Bibliothek steht Buch neben Buch. Die ausgestellten Werke sollen zeigen, was man hier so alles ausleihen kann. Die Mitarbeiter haben dafür wohl jene Titel ausgewählt, die sie für besonders interessant, relevant oder wichtig erachten. Ein Fenster ist den politischen Sachbüchern gewidmet.
Folgende acht Werke repräsentieren das Angebot der Bücherei. Ganz links steht "Ändere die Welt" von Jean Ziegler. Der gute Mann ist allgemein bekannt. Ein ewiggestriger Kommunist aus der Schweiz, der auch nicht davor zurückschreckt, live im ORF-Fernsehen zur Ermordung von Menschen, die er als Spekulanten bezeichnet, aufzurufen. Seine vulgärmarxistischen Machwerke richten sich primär an eher schlichte Gemüter.
Gleich daneben Hannes Androsch in Denkerpose. "Das Ende der Bequemlichkeit – 7 Thesen zur Zukunft Österreichs" heißt sein Werk. Androsch ist wie Ziegler ein Linker, aber geistig und politisch deutlich flexibler als der Schweizer, wie man anhand seines Lebenslaufes unschwer erkennen kann.
"Das Ende der Demokratie" verkündet Yvonne Hofstetter neben dem roten Ex-Finanzminister. Ein kulturpessimistischer, fortschrittsfeindlicher Schinken, der vor Internet, Konzernen und Big Data warnt. Auch die nächste ausgestellte Autorin, Nikola Rossbach, warnt: "Achtung Zensur – Über Meinungsfreiheit und ihre Grenzen". Ich kenne weder das Buch noch die Autorin. Später schaue ich im Internet nach und finde folgendes Zitat aus diesem Werk: "Rechtspopulistinnen und -populisten haben eindeutig eine Schwäche für den Kampfbegriff ‚Zensur‘, sie lieben ihn heiß und innig. Er ist in den letzten Jahren ihr Schutzschild geworden, ihr Versteck. Sie haben ihn regelrecht gekapert. Gefühlt jedes dritte Wort, das sie aussprechen ist ‚Zensur‘. Im Umkehrschluss nennen sie alles, was sie selbst äußern, ‚unzensiert‘ und ‚frei‘." Soll heißen, die Meinungsfreiheit hat dort zu enden, wo linke Dogmen hinterfragt und kritisiert werden. Alles klar.
Die Mitarbeiter der Bücherei scheinen ein Faible für düstere, alarmistische, linke Damen zu haben. "Warum wir Irre wählen" von Maria Koidl ist ebenfalls im Schaufenster ausgestellt. Diese Irren sind selbstredend Trump, Salvini, Orbán und Co., nicht unsere Willkommens-Mutti, EUschi oder Macron. Es ist das Büchlein einer linken Gutbürgerin, die gegen sogenannte Rechtspopulisten und Wutbürger wütet: "Obwohl es Deutschland und seinen Bürgern so gut geht wie nie zuvor, führt diffuse Furcht zu immer irrationalerem Verhalten. Maria Koidl seziert diese Ängste und ihre Funktionsweise – und benennt die Akteure, die sie schüren und von ihnen profitieren. Der Einzelne (…) projiziert seinen Frust auf die Repräsentanten des Staates. So finden diejenigen Gehör, die den Unmut des Wutbürgers für sich zu nutzen wissen, die eine vermeintliche Alternative bieten." Ein neuer und origineller Ansatz. Wer die letzten 15 Jahre nicht in einem Funkloch in Sibirien verbracht hat, hat ihn in Radio, Fernsehen und Print gefühlte 9000 Mal gelesen, gesehen und gehört.
Auch das nächste Buch ist ein echtes Schmankerl: "Heimat Österreich" vom revolutionären Marxisten Peter Pilz. Das Buch war quasi das Wahlprogramm der Pilz-Partei im Jahr 2017. Wird sicher ganz oft ausgeliehen. "Die Identitären – Handbuch der Neuen Rechten in Europa" soll ebenfalls Leser in die Bibliothek locken. Die drei Autoren dieses Buches stammen laut Amazon-Beschreibung aus dem ÖH- und AntiFa-Milieu. Hier erübrigt sich jeder weitere Kommentar. Das letzte Buch hat der altlinken Berufsjugendlichen Bernhard Heinzlmaier geschrieben: "Anpassen, Mitmachen, Abkassieren: Wie dekadente Eliten unsere Gesellschaft ruinieren."
Angesichts der hier in der Auslage versammelten Ich-erklär-dir-die-Welt-Experten gilt Hannes Androsch bei den Bücherei-Genossen vermutlich bereits als umstrittener, rechter Autor. Ein breites Meinungs- und Themenspektrum sieht jedenfalls anders aus. Gegen diese Bücherei ist selbst der ORF ein Hort der Meinungsvielfalt.
Die einen radikalisieren sich in gewissen Moscheen, die andern in den Büchereien der Stadt Wien. Okay, ganz so schlimm ist es nicht, aber wer sich die hier ausgestellten Bücher von Jean Ziegler bis Peter Pilz reinpfeift, der wird sich weder für Rendi-Wagner noch Michael Ludwig erwärmen können, weil er sie für zu liberal und rechts hält. Da haben die Mitarbeiter der roten Bücherei wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen.
Alle hier in der Auslage versammelten Schlauberger sind einer Meinung: Der Kapitalismus und die Rechtspopulisten sind für all das Schlechte in unserer Welt und Gesellschaft verantwortlich. Nur der Sozialismus kann uns retten. Über den Büchern klebt ein großes oranges Pickerl mit der Aufschrift: Bildung. Jugend. Wir bewegen Wien.
In welche Richtung die Jugend bewegt werden soll, ist offensichtlich. Aber besonders viele Jugendliche werden sich in dieses Museum linker Ideen und Parolen wohl nicht verirren. Unter anderem deshalb, weil es immer mehr junge Wiener gibt, die dank der in dieser Auslage propagierten Politik nicht mehr lesen können oder wollen.
Werner Reichel ist Autor und Journalist. Sein neues Buch "Kickl muss weg: Der schmutzige Kampf um die Macht" ist soeben bei Frank&Frei erschienen.