Die Budgetkonsolidierung hat Vorrang
Viele bezweifeln, dass allein die sachliche Übereinstimmung bei der Budgetkonsolidierung auf Dauer ausreichen wird, FPÖ und ÖVP als Fundament für eine dauerhafte Reformkoalition zu dienen. Immerhin wurde in den zurückliegenden Jahren, seit dem Ende der letzten Regierungszusammenarbeit von ÖVP und FPÖ im Mai 2019, von beiden Seiten eine ganze Menge Porzellan zerschlagen. Auf die blauschwarze Bundesregierung werden jedenfalls – falls sie denn zustande kommt – gewaltige Herausforderungen zukommen.
Die Budgetkonsolidierung steht in den Koalitionsverhandlungen deshalb im Vordergrund, weil FPÖ und ÖVP sich darin einig sind, ein Defizitverfahren der EU gegen Österreich abzuwenden. Denn schon einmal – nämlich 1922 – wurde Österreich seiner zerrütteten Finanzen wegen unter internationale Kuratel gestellt. Damals war es der Völkerbund, der der Alpenrepublik mit einer Kreditsumme von 650 Millionen Goldkronen aushalf, und das Land im Gegenzug zu schmerzhaften Reformen und Sanierungsmaßnahmen unter Aufsicht einer Völkerbundkommission zwang. Da ist es allemal besser, notwendige Reformen in Eigenregie vorzunehmen.
Da die potentiellen Koalitionäre sich darin einig sind, das in den zurückliegenden Jahren aus dem Ruder gelaufene Budget ausgabenseitig zu konsolidieren, kommt die Erschließung neuer oder die Erhöhung bestehender Einnahmequellen nicht in Frage.
Möglichkeiten zu sparen gibt es immer – in jedem privaten Haushalt und jedem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen ist das keine schockierend neue Erkenntnis. Das Problem der Staatsschulden rührt daher, dass es sich bei politisch Verantwortlichen selten um Personen handelt, die jemals die Luft jener Sphäre geatmet haben, in der Werte geschaffen werden. Sie verstehen sich zwar bestens aufs Geldausgeben, haben aber wenig Ahnung von der Mühsal des Geldverdienens. Das brauchen sie auch nicht zu haben, denn ihnen stehen ja – anders als unter marktwirtschaftlichen Bedingungen aktiven Personen und Betrieben – Zwangsmittel zur Geldeintreibung zur Verfügung.
Genau das ist Grund dafür, dass Staaten Sparmaßnahmen immer erst in dem Moment ergreifen, wenn der Pleitegeier zur Landung ansetzt. In Neuseeland war es im Jahr 1990 so weit, dass mit drastischen Ausgabenkürzungen und Arbeitsmarktderegulierungen gegengesteuert wurde; in Schweden kam es im Jahr 1995 zu tiefen Einschnitten ins Sozialsystem, um das Budget zu konsolidieren. Griechenlands Sanierungsweg ist deshalb ein gutes Beispiel, weil sich hier zeigt, dass eine Haushaltssanierung umso schmerzhafter ausfällt, je länger sie mit Blick der Regierenden auf den Verbleib am Futtertrog verschleppt wird. Dort wurde das Pensionsantrittsalter erhöht, Pensionen gekürzt und andere Einschnitte ins Sozialsystem durchgesetzt. Der Erfolg dieser Maßnahmen zeigt sich in einer Rückkehr ausländischer Investoren und einem deutlichen Wirtschaftswachstum von mehr als acht Prozent im Jahr 2021.
Bei den kommenden Reformen darf es auch hierzulande kein Tabu geben. Das wird, angesichts der ausgeprägten Wohlfahrtsstaatsmentalität im Lande (ich will alles gratis und bezahlen sollen es andere!) mit massivem Gegenwind verbunden sein, der insbesondere von den Hauptstrommedien produziert wird. Schon jetzt – noch ehe konkrete Zahlen jenseits einer groben Zielvorgabe für das Sparvolumen im laufenden Jahr vorliegen – vergeht kein Tag, in dem der ORF oder der "Standard" nicht mit kritischen Kommentaren von "Experten" zum angepeilten Konsolidierungskurs aufwarten.
Das zum Milliardengrab gewordene Pensionssystem wird nicht unangetastet bleiben können. Ebenso wenig der Klimabonus und andere Förderungen, die im Grunde eine Absage an die Marktwirtschaft bedeuten. Wenn den Konsumenten etwa der Sinn nach dem Erwerb von Elektroautos steht, werden diese auch ohne Subventionen ihre Käufer finden. Wenn nicht, dann eben nicht. Marktverzerrungen durch die kostspielige Subventionierung grüner Ideologieprojekte sind jedenfalls umgehend abzustellen.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.