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Donald Trump, der politische Borderliner

Donald Trump, der politische Borderliner

Von der bipolaren über die unipolare hin zur multipolaren Weltordnung: Welche Rolle spielt Europa überhaupt noch?

Aktuell herrscht ein Trend in den sozialen Medien. Menschen reden über vermeintliche oder echte psychische Erkrankungen und schmücken sich mit ebensolchen einschließlich der fachlichen ICD-10 Klassifizierungen in ihren Social-Media-Profilen. Alles ist divers, besser gesagt neurodivers. Voyeurismus und Exhibitionismus geben sich die Klinke in die Hand und es kommt laut der Soziologin Laura Wiesböck sogar zu einer gewissen Ästhetisierung des Leidens. Böse Zungen könnten sogar von einem potenziellen Krankheitsgewinn und der Krankheit als utilitaristischem Markenzeichen sprechen.

Die Vorteile der neurodiversen Toleranz gelten jedoch nicht für alle. Der ehemalige und nun erneute Präsident der USA, Donald Trump, rühmte sich zwar mit den Ergebnissen eines kognitiven Tests nämlich dem MoCA-Test (Montreal-Cognitive-Assessment), wurde aber viel öfter Zielscheibe von so manchen Ferndiagnosen, die nicht unbedingt positiv für ihn ausfielen. Warum sollte man sich nun nicht auch auf diesem dünnen Parkett bewegen?

Der impulsive Donald Trump scheint in intensiver Beziehung unter Alpha-Männern mit Wladimir Putin das zu schaffen, was viele vor nicht allzu langer Zeit für einen schlechten Scherz gehalten haben. Er könnte den Krieg in der Ukraine beenden, indem er – ganz Geschäftsmann – das Land gerade in Bezug auf wichtige Rohstoffe zwischen den USA und Russland aufteilt. Wolodymyr Selenskyj darf neben der EU am Katzentisch der Geschichte daran teilhaben.

So schnell kann es gehen und die Europäische Union, unterteilt in verschieden ideologisch geladene Länder, kann um eine neue Linie im Konflikt ringen: Selbst die Ukraine weiter mit Waffenlieferungen und Geld unterstützen oder sich eingestehen, dass man ohne den großen Bruder, die USA, keine eigene Identität entwickelt hat? Der süffisant pathologisierte Immobilienmogul macht mit dem rein aus "masculine energy" (in freier Assoziation an die Forderung von Mark Zuckerberg nach mehr von ebensolcher) bestehenden russischen Präsidenten den "Big Deal" auf der Weltbühne. Ursula von der Leyen kann erneut ihren einstigen "Erdogan-Moment" auf dem international entfernt stehenden Sofa genießen.

Die Zeit der bipolaren Weltordnung zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion ist neben der temporären unipolaren Dominanz der Vereinigten Staaten von Amerika längst vorbei. Wir befinden uns in einem gewaltigen Transformationsprozess der multipolaren Einflüsse, in dem Europa und die EU immer mehr ins Abseits zu geraten drohen. Mit der derzeitigen Qualität an Politikern, selbst nach den Wahlen in Deutschland, werden wir zwischen den politischen Borderlinern wie Trump oder Putin sowie den anderen Playern aus China oder Indien schwer mithalten können. Somit wäre es längst an der Zeit die eigene kognitive Diversität in Europa zu erhöhen.

 

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.