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Unsere Zwei-Welten-Idylle
Leo Dorner
 

Unsere Zwei-Welten-Idylle

Auch wenn die Menschheit im Universum intelligentes außerirdisches Leben entdecken würde, würde diese Entdeckung den Glauben der Kirche und des Christentums nicht verändern, ja nicht einmal tangieren. Diese Meinung, von einem katholischen Priester in den USA verkündet, wird unter anderem mit dem Argument begründet, dass auch die Wende vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild (von Ptolemaios zu Kopernikus) das Glauben und Denken der Kirche und ihrer Theologie nicht verändert habe. Und als Grund dieser Begründung wird ein weit tieferer Grund angeführt: Die Wahrheiten der Religion(en) und die Wahrheiten der Wissenschaft(en) existieren in und für zwei verschiedene Welten. Und daher auch in und für zwei verschiedenen Arten von Mensch und Menschheit.

In der Tat: beide Welten leben heute, nach viele Jahrhunderte dauernden Kämpfen, friedlich nebeneinander. Wenigstens in der westlichen Welt, die noch bis zur Jahrtausendwende von 2000 unter dem Namen "Erste Welt" bekannt war. Man habe sich endlich geeinigt: die Wahrheiten der einen Welt gehen die Wahrheiten der anderen Welt nichts an. Eine Kulturen-Idylle, wurde demnach erobert, deren friedliche Koexistenz von beiden Seiten – der religiösen und der wissenschaftlichen – oft und gern als Sieg über vergangenes Unheil verklärt wird.

Aber Idyllen schläfern ein, und selbsternannte Idyllen sind das Produkt "offizieller" Einschläferungen. Ob die gepriesene Koexistenz überhaupt und wie gelebt werden kann, diese Frage bleibt als exotisch-fremde ausgeklammert und unter (Denk-)Tabu gestellt. Sie könnte den ausgerufenen Frieden stören.

Für die monotheistischen Religionen abrahamitischen Ursprungs gilt bis heute, dass "Himmel und Erde" und die Menschheit auf diesem Planeten    durch Gottes Wille und Wort, somit durch die ("biblische") Tat seiner Schöpfung entstanden sind und bis heute erhalten werden.

Nun wissen wir aber schon seit mindestens 200 Jahren, dass die reale Schöpfung durch eine reale Evolution erfolgte, und auch wenn wir diese Entwicklung als Mittel und nicht als Zweck, somit nicht als neuen Schöpfergott ("die Evolution") auffassen, (womöglich mit Dworkin "als Tatsache") ist die biblische Schöpfungslehre dennoch ins Reich der unhaltbaren Mythen einer noch kindlichen Menschheit zu verweisen.

Dass die Entdeckung einer zweiten oder gar mehrerer "Menschheiten" auf anderen Planeten den christlichen Glauben und auch dessen Theologien und Kirchen nicht verändern würde, ist dennoch eine unhaltbare Schutzbehauptung. (Sie geht auf das Konto kreationistischer Glaubensweisen und Kirchen – wohl nicht nur in den USA.) Eine Entdeckung, die auch alle anderen Religionen (vielleicht mit Ausnahme des Buddhismus) grundstürzend verstören und verändern würde, weil eine evolutionär entstandene Menschheit den Schöpfungsbegriffen der allermeisten Religionen offen widerspricht. Und dies nicht grundlos, sondern wohlbegründet.

Der neuerlich unbekannte Gott

Gegen diese wohlbegründete neue "Lehre über Gott und die Welt" lässt sich auch mit einer Zwei-Wahrheiten-Lehre nur sophistisch und jesuitisch, also überhaupt nicht vernunftgemäß argumentieren. Existierte eine außerweltliche Wahrheit (über Gott und die Welt) jenseits der natürlichen Welt und Menschheit, wäre sie auch für glaubende Menschen nicht erreichbar. Und ob sich diese nach ihrem Tod in einen Geist (und welchen) verwandeln werden – auf diese Frage gibt es ebensoviele Antworten wie Religionen. Folglich sind endgültige religiöse Antworten und Wahrheiten nur solche, die Gott ein (sinnloses) Ultimatum gestellt haben.

Von ganz anderer "Statur" sind alle Vernunftwahrheiten. Gegen sie lässt sich nur mit selbstwidersprüchlichen Argumenten, also überhaupt nicht argumentieren. Ein kräftiges Indiz, dass der unbekannte Gott, von dem Paulus in Athen berichtete, auch ihm unbekannt gewesen sein könnte. Wenn aber ein "Gott der Vernunft" heutzutage in realen Menschen "Oberwasser" gewinnt, muss er sich mit zahllosen neuen "Wissenschaftsgöttern" herumschlagen, die sowohl seiner "neuen" Vernunft wie seiner zweitausendjährigen Dreieinigkeit und zudem noch seiner jüdischen und islamischen Präsenz auf Erden Konkurrenz machen. Die Gefahren und Verwirrungen, denen der reale Mensch der verschwindenden "Ersten Welt" von heute ausgesetzt ist, sind Legion.

Um beispielsweise den Ursprung der "Gottheit Evolution" zu erreichen, wird unsere Vernunft genötigt, eine unendliche Ursachenkette anzunehmen, die die wissenschaftlich unterstellte, empirische Erstursache (von Gott, Welt und Menschheit) vernichtet. Galaktisch werden wir genötigt, uns für Kinder des ersten Sonnenstaubs zu halten, biologisch sind wir späte Vielzeller eines ersten Einzellers. Mit anderen Worten: Ursachen sind immer bedingte, fallen somit als Bedingungen immer schon in das Prozedere einer Entwicklung, sie können daher nicht deren Grund und Ursache sein, und ihr Versuch, sich als Anfang der Entwicklung ("die Evolution") zu präsentieren, ist als hinfällige Wissenschaftsideologie durchschaubar.

Diese Notlage der Wissenschaftsgötter bessert sich nicht, wenn wir eine allererste, eine wahrhaft kosmologisch uranfängliche Evolution voraussetzen und deren Anfang auf einen Tag vor 12,5 Milliarden Jahren festsetzen. "Seinerzeit", also am Anfang von Zeit und Raum, wäre eine singuläre Qualität, Urknall genannt, aktiv geworden und hätte, dank "unendlich" komprimierter Energie, nicht nur Raum und Zeit, sondern auch alles andere "am Himmel" erschaffen oder zumindest vorerschaffen. Spuren vom ersten Damals wären noch heute als jene "Hintergrundstrahlung" lesbar, die unter astronomischen Kennern als empirischer Beweis des kosmischen Schöpfungsaktes angeführt wird. Dieses Modell hat auch unter Physikern und Astrophysikern zu vielen delikaten Fragen und Nachfragen geführt, weil ein Ding, das die Voraussetzung seiner selbst sein kann, allerdings ein kosmisches Wunder wäre, das alle Achtung verdiente.

Am Bug der Welterschaffungswelle

An der Spitze der Urknallmaterie, sie startete mit nicht geringer Geschwindigkeit und mit dem ersten Auftrag und Zweck, zunächst Raum und Zeit zu erschaffen, (in denen sie sich aber zugleich schon seit Anbeginn bewegen musste), ereignet sich der Knall aller Knälle. Denn vor dem Bug der heranrasenden Urmaterie regierte anfangs noch das Vakuum eines Nichts, das erst durch den Flug des Wunderdinges in Raum und Zeit umgeformt wird. Und bald schon zu einem (anfangs nur) strahlenden Universum, durch dessen allmähliches Zerstrahlen endlich jene Knoten und Klumpen von Adern und Andern-Geflechten freigelegt wurden, die uns das Bild der Hintergrundstrahlung als ewige Urfotografie aufbewahrt hat.

Am Bug des Weltanfangs, wo die urschaffende Erstmaterie (wahlweise auch "reine oder dunkle Energie") dem Nichts direkt ins unerfindlich tiefe Auge blickt(e), pflegt sich auch die biblische Schöpfungstheologie unserer Tage beflissen einzufinden. Diese war bereits von den späteren Kirchenvätern abgesegnet worden, nachdem der Widerstand gegen die christliche Indienstnahme der Ontologien von Platon und Aristoteles zusammengebrochen war. Ohne die Vernunft der Antike, hatte noch Papst Benedikt verkündet, wäre das Christentum ein anderes geworden.

Denn wie sonst hätte man einen Weg finden können, die phantastischen altbiblischen Geschichten von den ewigen Wassern über der Urwelt, vom Staub und vom Lehm als Schöpfungsmaterial, und nicht zuletzt von der Rippe Adams, der die Frau der Menschheit das Glück ihrer eigenen Erstgeburt verdankt, in vernunftnähere Begriffe und Sprachen übersetzen können? In ein Denken und in ein Sprechen, das es auch der modernen Theologie erlaubt, die heutige Idylle zu befestigen, in der die Welt der Religion(en) und die Welt der Wissenschaften ihre Köpfe friedlich zusammenstecken?

Die Kirchenväter hatten die Lehre eines schöpferischen Nichts, das natürlich noch nicht das Nihil Negativum des modernen Nihilismus, sondern des Gottes eigenes Nichtigen als ewiges Neuerschaffen war, als tragfähiges Übersetzungsmodul entdeckt, mit dem sie bis heute ihre theologischen Deutungskünste demonstrieren. Sei es an einem Anfang der Welt (ohne Urknall) sei es an einem Anfang der Menschheit (ohne Evolution). Und die eigentliche Kunst ging und geht dahin zu erklären, wie dieses Nichts, das in den Evangelien nur eine Randfigur spielt, mit dem anfangenden Anfangswort des Johannesevangeliums entweder auf derselben Etage oder doch wenigstens im demselben Haus zusammenleben könnte.

Im Haus der Theologen wurde und wird seitdem über ein unendliches Nichts debattiert, aus dem Gott diese Welt und Menschheit radikal voraussetzungslos erschaffen konnte. Er musste nicht mehr einem Demiurgen aus der Werkstätte Platons, sondern nur noch sich selbst den Auftrag erteilen, das uranfängliche und unerfüllte Nichts mit den Inhalten einer Welt und Menschheit zu erfüllen.  

Aus diesem zweiten Selbst machte die frühe christliche Theologie ziemlich rasch einen Pantokrator Christus, vermutlich im Abwehrkampf gegen die mächtigen Religionen der Gnostik in den Jahrhunderten um das Jahr Null, und obwohl sich Christus selbst im Neuen Testament gegen diese  Rollenzuteilung eines allmächtigen und allwissenden Creators ausgesprochen hatte. Die Debatten der Theologen führten rasch in die Spitzfindigkeiten einer trinitarischen Theologie, während die alttestamentarischen Geschichten vom "Und Gott sprach", von den "Wassern über der Erde", von "Lehm und Sand" ("Staub bist du") und von der "Rippe Adams" bis heute in den Predigten und teilweise in der Liturgie der Kirchen stehen geblieben sind. Wobei auch die gottähnliche Ebenbildlichkeit des Menschen alltestamentarisch bewiesen wird: "Und siehe, Adam ist geworden wie unsereiner."

Über die Schwierigkeiten des modernen und postmodernen Menschen, mit diesen Geschichten zurecht zu kommen, wurden vermutlich mehr Bücher und kluge Aufsätze geschrieben, als neue Bibelausgaben und neue Bibelübersetzungen alljährlich erscheinen.

Ein erster Grund oder gar kein Grund?

Auf der wissenschaftlichen Seite des Schöpfungsproblems erkennt auch die Vernunft der Theologen (vernunftlogischerweise), dass am oder im Urknall irgendetwas auffindbar oder wenigstens als Hypothese behauptbar sein müsste, das die "unendlich" komprimierte Erstmaterie befähigte, als erster Grund aller Sachen von Welt und Menschheit, als oberste Schöpfermacht anerkennbar zu sein. (Ursachen ohne Gründe sind "von schlechten Eltern" und Gottesteilchen, mit denen manche Teilchenphysiker bereits hantieren wie der katholische Priester mit dem Allerheiligsten aus seinem Tabernakel, sind untaugliche Begriffe, um neue ontologische Gottesbeweise auf den Tisch legen zu können.)

Ebenso vergeblich sind ein erstes Teilchen-Antiteilchen, eine erste oder "dunkle" Energie (ein Nachfahre des unbewegten Bewegers von Aristoteles‘ Denkergnade), oder eine erste oder mehrere erste Materien, mit denen schon die Schulen der Scholastik des Mittelalters gerne spielten. Heute würden diese Kandidaten, die alten und die neuen, schon dem erstbesten "peinlichen" Vernunftverhör nicht standhalten. Auf die Frage, was soll an Euren wissenschaftlichen Schätzen Erster Grund sein können, müssten sie deren Wunsch-Hypothesencharakter offen eingestehen. Also triumphieren doch die Religionen mit ihren nicht wenigen Offenbarungswahrheiten, fragen Theologen, nachdem sie mit Hilfe der Vernunft die wissenschaftlichen Erstgründe einer wortreichen Schauspielerei überführt haben.  

Zwischenfazit: Die Wahrheiten der Religionen enden vor einer Wand, hinter der die Geheimnisse Gottes vermutet und zugleich vor der Wand als verwaltbare Glaubensgüter an die Gemeinden der Glaubenden weitergereicht werden. Die Wahrheiten der Wissenschaften enden vor der letzten Wand des Noch-Wissbaren, hinter der das große Unwissen beginnt, das daher auch vor der Wand eingestanden und nicht durch einen permanenten Almauftrieb neuer kosmischer Weltgrund-Theorien vernebelt werden sollte.

Noch dürftiger scheint es um die Vernunft zu stehen. Deren Agenda nimmt sich die Philosophie des Westens sei etwa 3000 Jahren an, die Philosophie des (Fernen) Ostens vermutlich einige Jahrtausende länger. Bis heute legt sie ihren Finger auf die wunden Punkte der Religionen und Wissenschaften, neuerdings mit dem Erfolg, ins Ausgedinge der Menschheit abgeschoben zu werden. Da schon die Sprache ihrer Begriffe und ihres Denkens kaum noch verstanden wird, könnte sie sich damit trösten, dass auch die Religionen einander ziemlich fremd und unverständlich sind und einen Dauerkontakt- oder gar einen Gemeinschaftskult ablehnen. Und dass die Wissenschaften, die mittlerweile ihre Welt-Karriere als globale Ersatzreligion und Ersatzphilosophie angetreten haben, einander besser verstehen würden, kann nur jemand behaupten der noch keinen oder nur einen Reiseführer in die Länder der theoretischen Relativitätstheorien und biologischen Evolutionstheorien gelesen hat.

Wenn die Philosophie beispielsweise einen Vernunftbegriff von Raum und Zeit vordemonstriert (nicht mit einem digitalen Leuchtstab), der ein stabiles Raumzeit-Kontinuum als Bedingung der Möglichkeit von unübersehbar vielen verschiedenen Geschwindigkeiten bewegter Körper und überdies deren genaue Messbarkeit ermöglicht, muss sie sich erklären lassen, in einer vorwissenschaftlichen Metaphysik befangen zu sein. Und wenn sie keckerweiser nachschiebt, dass die Zeit unmessbar sei, weil sie rascher als rasch vergehe, fehlt nicht viel, und eine Überweisung in die Psychiatrie wird fällig. Heute wisse schon jedes Kind, dass ein Zeitstrahl, der vermeint, sich mit beständiger Beharrlichkeit durch das All zu bewegen, je nach Gravitationsfeld, das ihn einfängt, entweder mehr gekrümmt oder mehr verlängert oder gekürzt wird.

Daher könnten Zwillings-Schwestern, die mit günstigen Verkürzungen oder Verlängerungen im Zeitgepäck, also mit verschiedenen Geschwindigkeiten ihrer Raumfahrzeuge losfahren, am fernen Ziel mit verschiedenem Alter aussteigen. Die eine jünger, die andere älter.  Wer dieses Märchen erfunden hat, vergaß die hitzigen Eifersuchtsszenen der berühmten Relativ-Sisters mit zu erzählen. 

Ein anderes Mirakel ist die Lichtgeschwindigkeit als einzige Zeitkonstante im Universum, die somit jene gravitationsbedingten Verlangsamungen oder Verschnellerungen wie ein neuer Odysseus virtuos zu umschiffen vermag. Der Einwand, Zeit und auch Gravitation gäbe es eigentlich nicht (mehr), weil deren irreführender Schein durch ein vierdimensionales Raumzeitkontinuum ersetzbar wurde, dessen Evidenz durch empirische Forschung zweifelsfrei bewiesen sei, führt zu Zweifeln, die schon aus Platzmangel nicht an diesem Ort erörterbar sind.

Kochende Extreme

Um zu den Außerirdischen zurückzukehren: Deren Vorgänger oder ewige Weggenossen sind längst schon allgegenwärtig, erklärt unser US-Priester, denn mit den Engeln habe Gott bereits Wesen geschaffen, "die nicht irdisch sind".

Offensichtlich leben wir in einer Zeit neuer Extreme, deren Hitze zwar bis vor Kurzem noch durch einen gegenseitigen Toleranzfrieden zwischen Religionen, Wissenschaften und Philosophien erfolgreich gedämpft wurde, die aber gleichsam zu kochen beginnt, wenn sich das Grundprinzip ihrer säkularen Janusgottheit: positive und negative Religionsfreiheit, gerade nicht (wie erhofft) "global" durchsetzen lässt und nur noch das Dogma der unbegrenzten Vielfalt übrigbleibt.   

Wenn sich aber unbegrenzbar viele und unbegrenzbar verschiedene bis "diverse" (Konfessions-)Artungen von Religion, unbegrenzt viele Arten von Philosophie und Wissenschaften einander umarmen sollen, und die letztgenannten, durch technische Erfolge ermächtigt, außerdem noch völlig neuartige Leitkulturen begründen und global organisieren können, dann erhebt sich der Verdacht, die heutige und künftige Menschheit könnte im Verhältnis zur bisherigen selbst schon das werden, was sie heute noch weit draußen sucht: "Außerirdische".

Wenn Engel und "Gottesteilchen" in einer und derselben Kultur gleichberechtigt durcheinanderschwirren, können auch die modernen Künstler ihre Stimme nicht mehr zurückhalten: Was die "neuen Extreme" können, (nichts als außer- und vorkünstlerische Kulturtechniken) das können wir schon lange: Besucht unsere Museen, Vernissagen und Ateliers sowie unsere subtilen Konzerte mit bislang unerhörten Klängen und "unverwechselbaren Personalstilen", und Eure Augen und Ohren werden übergehen. Sollten die realen Außerirdischen eines Tages absichtlich oder zufällig unseren Planeten besuchen, ist ihnen jedenfalls dringend anzuraten, vorher ein gründliches Studium der aktuellen Menschheitskultur zu absolvieren. Zu ihrem eigenen Besten: denn fremde Kulturfreiheit, allzu früh praktiziert, kann (kultur-)tödlich enden. 

Die Video-Predigt des US-Priesters enthält noch weitere Lehrstücke eines kirchlich erlaubten Denkens, das sich als selbstverständliches Vernunftdenken präsentiert. Das intelligente Leben auf anderen Planeten müsse ebenso von Gott geschaffen sein wie das auf unserem Planeten. Und sollten auf bislang unbekannten Planeten weitere vernünftige Lebewesen existieren, müssen auch diese nach dem Abbild Gottes geschaffen sein. Denn "die Gottesebenbildlichkeit des Menschen beziehe sich auf seinen Geist, also seine Vernunft, seinen Willen, die Fähigkeit zu lieben, die Freiheit".

In diesem freischwebenden Predigt-Stil, den zu kritisieren mit Glaubensverlust bedroht wird, werden hohe Menschheits-Worte wie edel glänzende Perlen aneinandergereiht. Und die straff gespannte Schnur, an der die Begriffe zusammenhanglos, aber dicht nebeneinander prangen, soll offenbar ersetzen, was entweder vergessen oder für die Zwecke heilsamer Predigt bewusst unterlassen wurde zu bedenken:

"Ebenbildlichkeit" als vermeintlich gründender Allgemeinbegriff namentlich genannter Vernunftbegriffe ist weder ein vernünftiger Gattungsbegriff noch ein verbindlicher Grundbegriff, der "Arten" spezieller Ebenbildlichkeiten ausbrüten könnte. Es ist ein predigendes Sonntagswort, das, wenn alle Vernunftworte der arbeitsreichen Woche ausgesprochen sind, aus Erholungs- und Feierlichkeitsgründen nachgeliefert wird, um die Gemeinde denkbefreit zu vereinigen. Es ist ein Wort wie eine fiktive Schnur, an der sich nach dem Belieben jeder Zeitgeistwende, auch noch ganz andere und sogar "diverse" Schaubegriffe für einige Zeit aufhängen lassen.  

Was folgt aus alledem für das Schicksal unserer Außerirdischen? Ihre Realität ist in theologischer Sicht ist so gut wie gesichert, da "Gott bereits Wesen geschaffen habe, die nicht irdisch sind." Aber obwohl die theologische Beweiskraft existierender Engel somit außer Zweifel steht, teilt uns der berufene Mund des Priesters mit, dass die Kirche (seiner oder aller Konfessionen?) "zur Frage der Außerirdischen noch keine Stellungnahme abgegeben habe". Vermutlich ist damit gemeint, dass sich die obersten Gremien der Kirchen und Theologien in eine laufende wissenschaftliche Diskussion nicht mit einer definitiv abschließenden Antwort einmischen möchten.  

Aber trotz seiner Verpflichtung zum Gehorsam gegen seine obersten kirchlichen Vorgesetzten, die sich offensichtlich um Zurückhaltung bemühen, weil die zuständigen Wissenschaften das führende Wort übernommen haben, wagt er seine eigene – engelgestützte Meinung - zur kosmischen Menschheitsfrage zu äußern. Ein Selbstwiderspruch der tief blicken lässt. Einerseits gehe es um eine die ganze Menschheit betreffende Frage, andererseits würden reale Außerirdische, denen die Menschheit begegnen könnte, die Existenz und das Leben der Kirche weder verändern noch überhaupt tangieren.

Jeder moderne Mensch, der Religion und Wissenschaft für verträglich hält, schon weil er mit seinem begrenztes Wissen und Leben nicht gegen das unbegrenzte Wissen und Leben, das die Gegenwart und das Geschehen von Milliarden und Millionen Jahren durchpulst und begleitet, konkurrieren möchte, kann der Gedanke an ein Umgreifendes und Allmächtiges nicht fremd bleiben. Egal welche Varianten von Atheismus und Agnostik den jeweils mächtigen Zeitgeist erfüllen und welche konfessionellen Fraktionen seiner Kirchen und Religionen gerade worüber streiten und womöglich mit den jeweils neuesten Ideologien ein bedenkenloses Mitläufertum in des Kaisers neuesten Kleidern betreiben.

Das kurzbegriffliche Denken der Religionen und ihrer Theologien wird noch lange an ihre heiligen Urtexte und Dienste rituell gebunden bleiben. Weshalb schon die Frage, welche Art von Evolution der Allmächtige auf anderen Planeten als Schöpfungsmethode eingesetzt haben könnte, für sie ein Anathema, ein unerlaubter Zweifel an ihrem Denken und Glauben bleiben muss. (Indes eine Gottheit namens "Evolution" nichts weiter als ein banaler Denkfehler ist, der nur bezeugt, dass einige "evolutionäre" Wissenschaftler ihr Denken nicht zu Ende gedacht haben. Er lässt sich daher durch und mit Vernunft beseitigen.) 

Wenn das Christentum und vielleicht auch die beiden anderen monotheistischen Religionen mit der Bibel zu wissen glauben, dass vernünftige Lebewesen nur als "Abbilder Gottes" können geschaffen worden sein, weshalb sie auch auf anderen Planeten nicht anders geschaffen worden sein können, führt dies auf ein Wespennest von Fragen, in das hineinzugreifen nur mutige oder geschützte Hände wagen sollten. Vertraut ist die sekkante, aber lediglich ablenkende Frage, warum Gott bislang unterlassen oder unterbunden habe, dass wir, diese unsere Menschheit, mit den anderen Abbildern Gottes auf anderen Planeten Verbindung aufnehmen konnten.

Dafür könnte es gewiss viele wahre und gute Gründe geben, vielleicht sogar ein ganzes System von Vernunftgründen, dass die Menschheit eines Tages auch erkennend nachformulieren wird. Ob die begehrte "Ebenbildlichkeit" dazu gehört, ist stark zu bezweifeln. Weil deren reale Möglichkeit eine Gleichung zwischen Gott und Mensch voraussetzt, die wiederum eine Geistes- und Machtidentität beider voraussetzt, über die zu verfügen, kein sterblicher Mensch sich anmaßen sollte.

Jenseits von Atheismus, Agnostik und streitenden Konfessionen der Religionen

Und auch das radikale theologische Gegenmodell: Die nicht gottebenbildlichen Eigenschaften des Menschen werden seinem Sündenregister zugerechnet, und seine wahre Gottebenbildlichkeit zeigt sich erst nach dem Urteil eines Letzten Gerichts in einer anderen Welt, -  ist gewiss eine hohe und riskante (geistige) Anleihe. Auch wenn über den genauen Termin des Gerichts alle Kirchen und Theologen bis heute ohne Ergebnis streiten und eine Dividenden-Auszahlung der Anleihe deren Wert     ad absurdum führen würde: Wenigstens ein geldbefreites Leben für alle sollte möglich sein.

Prosaischer veranlagte Theologen werfen Gott eine maßlose Ressourcenverschwendung vor: Eine Investition in Myriaden (unzählbare Milliarden von Milliarden) Planeten ohne "intelligentes Leben", um am Ende nur einen Planeten auszuerwählen, der Gottes Kinder tragen darf. Aber derselbe Theologe schiebt noch eine weit bangere Frage nach: (Ob in maßloser Selbstüberschätzung seines Glaubens oder nicht, wird jenes Gericht entscheiden): "Wenn es aber im Universum nicht nur uns Menschen gibt, welche Bedeutung hat dann Jesus Christus für diese Intelligenzwesen?" Und an dieser Wegscheide eines Glaubens mahnt er seine Theologen: wer eine (auch nur) "wahrscheinliche Existenz anderer Intelligenzwesen" für möglich hält, muss seine Theologie ändern. Auch über die Frage, ob er sie nicht selbst schon geändert hat, wenn er so fragt, wird in der Sicht seines Glaubens gleichfalls jenes Gericht entscheiden.

Ein wieder anderer Theologe sieht das Problem entspannter und beschwichtigt radikal. Er wirft seinen Kollegen, die sich an der Diskussion um mögliche oder wahrscheinliche oder wirkliche Außerirdische beteiligen, nichts weniger als Panikmache vor. Und diese sei gefährlich, weil eine allseitige Manipulation mittels alter und neuer Medien in der heutigen Massenkultur ein viel naheliegenderes Problem sei als die Frage, ob sich hypothetisch angenommene Außerirdische im Anflug auf die Erde befinden oder eines fernen Tages befinden werden.

In der Tat: eine Mehrheit heutiger Menschen dürfte die Frage, ob "wir die einzigen" sind, die in diesem Universum als erkennende und sich wissende Lebewesen existieren, zu den "nicht wesentlichen Problemen" zählen. Aber zugleich würden sie wohl nicht dafür plädieren, einen katholischen Index für verbotene Bücher wieder einzuführen oder mit deutscher Mitläufer-Gründlichkeit einen neuen Index für zu verbietende politische Fragen durch untertänige Behörden einzuführen.

Ablenkende Fragen stehen heute nicht zufällig unter Generalverdacht. Irgendwo könnten doch einige unbestimmte oder "nur subjektive" Ängste wohnen, denen man mit unpassenden Fragen keinen Zugang" in die Seele aller objektiv friedliebenden Europäer verschaffen sollte. Ohnehin liebt der "für alles offene" Kulturdeutsche seit 1945 das Fremde und Andere geradezu abgöttisch und träumt neuerdings sogar davon, Millionen "Fremdmenschen" ganz "ohne Obergrenze" aufnehmen und integrieren zu können. Aber bei den "Aliens" tappt auch das Volk der Dichter und Denker gänzlich im Dunkeln. Sind auch diese nur "unsere Anderen", oder sind sie "ganz andere Andere"?

Fragen dieser Art lässt eine noch intakte gläubige Kirche gar nicht erst aufkommen. Gegen die Meinungsvielfalt seiner Theologen beharrt ein noch ursprünglich authentisch Glaubender seiner Kirche (in einem markant selbstbewussten Posting) auf seinem Glauben, "dass Jesus Christus, der wahre Sohn Gottes ein wahrer Mensch geworden ist". Und als solcher ist er auch der "König des Weltalls" und "Maria, die Jungfrau und Gottesmutter, darf mit ihm herrschen - in Unterordnung unter Gott und in völliger Abhängigkeit von ihm".

Ein Glaubensbekenntnis von beeindruckender Offenheit und Klarheit, und "weil dieses Geheimnis von einzigartiger Größe und Schönheit ist, brauchten wir nicht anzunehmen, dass außer den Menschen und Engeln noch andere intelligente geschöpfliche Wesen existieren".

Als die frühe Kirche dieses Dogma von Christus als Pantokrator verkündete, musste sie weder den Einspruch der Wissenschaften noch die "Offenbarung" neuer "Schöpfungsmächte" fürchten: Heute stehen bereits unsere Kinder mit Urknall und Evolution auf wissendem Fuß ...                               

Leo Dorner ist ein österreichischer Philosoph.