Corona: Was man wirklich tun müsste
Zwischen absurden Verschwörungstheorien auf der einen Seite und übertriebenen Entwarnungsmeldungen auf der anderen Seite; zwischen gemeingefährlicher Obstruktion auf der einen Seite und jämmerlichem administrativ-politischem Chaos auf der anderen; zwischen der ständigen Allwissenheits-Fiktion der wissenschaftlichen und politischen Machtträger und dem dümmlichen Dauerversuch der Opposition, aus jeder Sachfrage einen parteipolitische Attacke herauszuquetschen: Da dazwischen müssen sich die Menschen seit mehr als eineinhalb Jahren den Weg durch den Corona-Nebel ertasten. Dieser Weg ist auch nach den jüngsten Regierungsbeschlüssen, der erstmals ernsthafte Sanktionen fürs Nichtimpfen wie Ausschluss von Veranstaltungen bringt, nicht klarer geworden. In Wahrheit steht nur eines fest: dass alle Österreicher enorme Sehnsucht nach einem Ende der Pandemie haben. Diese Sehnsucht bleibt jedoch unerfüllt – zumindest noch längere Zeit unerfüllt. Daher geht die Kneippkur zwischen erfreulich warmen und eiskalten Botschaften ständig weiter. Als ob unser Kreislauf durch die Pandemie und die unzähligen Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung nicht schon genug angeregt worden wäre.
Den gegenwärtigen FPÖ-Vorsitzenden muss man fragen, ob er heimlich Medizin studiert hat, weil er jetzt reihenweise öffentlich konkrete Therapie-Vorschläge macht, welche Medikamente die Menschen nehmen sollten. Will er wirklich den Eindruck erwecken, mit seiner Kurpfuscherei klüger zu sein als die Ärzte? Dabei geben zumindest die Ehrlichen aus der Medizinerzunft zu, dass wir uns noch immer in einem Wald voller Fragezeichen bewegen.
Die Regierung und insbesondere das Gesundheitsministerium mit ihrer fast wöchentlich wechselnden Strategie muss man hingegen fragen, warum man erst jetzt nach einem halben Jahr wenig beachteter Appelle konkretere Ideen entwickelt hat, um viele Österreicher zur Impfung zu bringen, nämlich eine Strategie des indirekten Zwanges durch Zutrittsverbote für Nichtgeimpfte? Gewiss, Zwang ist immer problematisch, aber er ist in einem Gemeinwesen in bestimmten Bereichen einfach notwendig.
- So befindet die Mehrheit der Österreicher es ja auch für richtig, dass es für junge Männer die Wehr- oder Zivildienstpflicht gibt (wobei die Mehrheit es übrigens ebenso für richtig halten würde, dass auch junge Frauen die gleiche Pflicht auf sich nehmen müssen, was sich die Politik aber angesichts des befürchteten Widerstand der aggressiven Feministen nicht mehr getraut hat umzusetzen).
- So befinden sie es sogar einheitlich für richtig, dass alle auf der rechten Straßenseite fahren.
- Und dass sie dabei Sicherheitsgurten anschnallen sollen.
- So herrscht seit Generationen weitgehender Konsens, dass man mit ansteckenden Krankheiten in Quarantäne gehen muss.
- So gibt es für Eltern seit langem die (wiederum: indirekte) Pflicht, bestimmte Impfungen vornehmen zu lassen.
- So gibt es seit Jahrtausenden die Pflicht, all seine Steuern zu zahlen. Das sehen die Menschen auch ein. Freilich schwindet diese Bereitschaft, fair seiner Steuerpflicht nachzukommen, sofort, wenn man merkt, dass Machthaber verschwenderisch mit dem Geld umgehen:
- Wenn diese etwa – wie jetzt skandalöserweise die grüne Ministerin Gewessler – mit Steuergeld die Anwaltskosten grüner Rechtsbrecher finanzieren, die wegen ihres aggressiven Aktionismus vor Gericht gekommen sind;
- wenn die Gesetze Menschen mit 60 Jahren in Frühpension gehen lassen, die dann jahrzehntelang umsonst auf Kosten der Allgemeinheit leben können, weil ihre einstigen Pensionsbeiträge in keiner Weise ausreichen, um lange Pensionsjahre zu finanzieren;
- wenn die Politik, vor allem die rote Gemeinde Wien, aber auch alle anderen, mit Steuergeld ihnen politisch nahestehende und willfährige Medien finanzieren. Und so weiter.
Da will dann niemand mehr Steuern zahlen. Aber selbst dort, wo Vernünftiges mit den Steuern gemacht wird, liefern 99,99 Prozent der Menschen ihre Steuern nicht als freiwillige Spende an die Republik aber, sondern unter Zwang. Weil sonst der Exekutor kommt.
Sehr ähnlich steht es um das Impfen. Ohne Zwang, nur als Reaktion auf gutes Zureden oder aus Eigenem haben sich halt 6 von 10 impfen lassen. 4 von 10 jedoch nicht. Solange es keine Nachteile für Nichtimpfen gibt, haben sich viele Impfverweigerer gedrückt. Jetzt drohen solche Nachteile – und prompt setzen sich plötzlich viele von jenen in Bewegung,
- die bisher keine Zeit für Impfen gefunden haben;
- die gemeint haben, die Impfungen seien noch zu unerprobt (obwohl sie schon milliardenfach eingesetzt worden sind);
- die glauben, als Gesunder braucht man das eh nicht;
- die all ihre Krankheiten ja auch sonst nur mit gesunder Ernährung und Homöopathie zu behandeln versuchen;
- die von ihrer Freundin gehört haben, dass diese irgendwo im Internet gelesen hat, dass ein Fußballer wegen einer Impfung kollabiert ist ….
Gewiss kann die Regierung zur jetzigen Welle neuer Impfbereitschaft sagen: Besser spät als gar nicht. Bis zum Frühsommer waren ja Impfstoffe noch Mangelware, daher war die Impfbereitschaft damals auch noch eher ein Randthema (wer erinnert sich noch an die infame Aktion des ORF-Linksaußen Armin Wolf, der einen Provinzbürgermeister vorzuführen versucht hatte, weil dieser, um ein Beispiel zu geben, sich vorzeitig impfen hat lassen).
Gewiss können viele jetzt zu Recht sagen, dass "die Wissenschaft" wieder einmal falsch gelegen ist. Von dort sind ja die Prophezeiungen gekommen, dass mit zwei Drittel Geimpfter oder Erkrankter eine "Herdenimmunität" eintreten würde und dass dann die Pandemie bald vorbei wäre. Was leider eine Täuschung war. Aber es hilft wenig, da jetzt den Schuldigen zu suchen. Es gibt keinen Hinweis, dass da absichtlich fehlinformiert worden ist.
Von der Wissenschaft ist dann auch eine andere gefährliche Darstellung gekommen, die dann von der Politik sofort nachgebetet worden ist, nämlich dass zwei Impfungen eine "Vollimmunisierung" brächten. Auch das hat nicht gestimmt. Denn die Impfungen bringen nur eine signifikante Reduktion der Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken oder gar in eine Intensivstation zu müssen. Das ist hocherfreulich und wichtig. Aber Impfungen bringen alles andere als einen totalen Schutz. Und schon gar nicht hat man jenen Österreichern, die ihre zwei Schüsse in den Oberarm bekommen haben, dabei gesagt, dass ihnen schon nach sechs, oft schon nach vier Monaten ein dritter Schuss dringend angeraten werden wird.
Aus all diesen Gründen hat "die" Wissenschaft viel der eigenen Glaubwürdigkeit verloren. Gewiss, diese haben die Impfgegner, Coronaleugner, selbsternannten Querdenker und Verschwörungstheoretiker noch viel weniger. Damit aber gehen uns immer mehr die Leitlinien verloren, an denen sich die Menschen orientieren können. Freilich, ganz hilflos sind wir bei der Suche nach der Wahrheit, nach dem richtigen Weg auch nicht. Es gibt ein paar Indizien, die bei der Frage helfen, wie weit kann ich jemandem, wie weit kann ich einer Aussage trauen:
- Es ist immer klug und notwendig, zu schauen, von wo eine Nachricht überhaupt kommt.
- Steht da eine Person dahinter, der ich trauen kann?
- Nationale und europäische Wissenschaftlerplattformen sind mit kollektiven Aussagen ernster zu nehmen als einzelne Professoren, die sich vor Fernsehkameras drängen.
- Und im Internet kursierende Nachrichten, denen man nicht wirklich bis zur Quelle nachgehen kann, sind noch viel unglaubwürdiger als die oft ebenfalls mit Vorsicht zu genießenden Berichte in klassischen Medien.
- Bei Aussagen von Politikern welcher Partei immer muss man sich bewusst werden, dass Oppositionsparteien massiv zum Schwarzfärben und Regierungen massiv zum Schönfärben neigen. Allerdings haben Regierungen im Unterschied zur Opposition immer die Hilfe großer Apparate in den diversen Ministerien, Universitäten und Behörden zur Verfügung, was wiederum ein wenig die Glaubwürdigkeit der Politik erhöht, auch wenn Beamte keine sonderlichen Helden mutigen und eigenständigen Denkens sind.
Jedenfalls ziemlich unverständlich ist, dass die Regierung eine Zeitlang den Eindruck erweckt hat, eine Impfung würde nicht nur die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe stark reduzieren, sondern auch vor Ansteckung und Weitergabe von Ansteckung schützen. Was sie leider nicht tut. Durch die Betonung dieses falschen Eindrucks hat die Politik etliches an Glaubwürdigkeit verloren.
Noch etliches andere am Regierungshandeln ist unverständlich: So gibt es keine erkennbare Reaktion auf die seit Monaten bekannte, wenn auch in den offiziellen Kommunikationen unterdrückte Tatsache, dass es besonders in Migranten-Gruppen viele schwere Verläufe und viele Impfverweigerer gibt. In manchen Communities sollen wiederum Gerüchte kursieren, die Christen wollten durch die Impfungen die Moslems sterilisieren oder gar töten.
Da drängt sich mit großer Dringlichkeit die Frage auf: Warum gibt es nicht so wie im Stephansdom auch in Moscheen Impfstraßen und direkte Impfaufrufe der Imame? Hat man mit diesen überhaupt geredet? Wie haben sie reagiert? Hat man die Widerstrebenden beispielsweise gefragt, ob sie die österreichische Staatsbürgerschaft haben, um nicht das Risiko einer Abschiebung zu riskieren? Oder macht man im Integrationsministerium lieber Islam-Atlanten als sinnvolle Arbeit?
Ein weiteres, aber ganz besonders ärgerliches Hindernis für eine effektive Pandemiebekämpfung ist der Datenschutz, den uns Grüne und EU-Kommission aufgezwungen haben.
So wäre es längst notwendig, zahllose soziale Daten über die Corona-Patienten nicht zuletzt für die Forschung genau zu sammeln und zu veröffentlichen: über Vorerkrankungen, Lebensgewohnheiten, Impfstatus usw. Je mehr man über all das wüsste, umso zielgerichteter könnte man bei der Vorbeugung ebenso wie der Therapie vorgehen, umso glaubwürdiger ist man in der Kommunikation. Wegen der Schwachsinnigkeit Datenschutz sind in den letzten Monaten sogar mancherorts die Daten darüber gelöscht worden, wer schon zweimal geimpft worden ist. Das ist alles nur noch krank.
Ebenso massiv zu tadeln ist, dass man die Impf-Kampagne nicht schon längst ganz auf die zentrale Thematik umgestellt hat: Es geht (leider) nicht um eine absolute Sterilität, es geht (leider) nicht darum, dass man durch eine Impfung zum völlig ungefährlichen Teilnehmer der menschlichen Gesellschaft werden kann. Aber es geht um das, was alle verfügbaren Daten bestätigen, dass Geimpfte nämlich viel seltener ein Spitalsbett oder eine Intensivstation benötigen. Genau auf diesen Punkt hat schon vor vielen Monaten der Verfassungsgerichtshof seine gesamte Corona-Judikatur umgestellt (dem man in diesem Fall voll zustimmen muss). Nur die Politik hat das nicht begriffen.
Die Rücksichtlosigkeit der Nichtgeimpften besteht nicht so sehr darin, dass sie nichtsahnende Dritte anstecken können. Das kann auch Geimpften passieren. Sie besteht in der dramatischen Gefahr, dass sie anderen eine Spitals- oder Intensivbett wegnehmen, wenn diese nach einem Unfall, einem Herzinfarkt oder einer Operation ein solches bräuchten. Es werden ja jetzt schon wieder – angeblich nicht notwendige – Operationen verschoben (was auch immer das eigentlich sein soll: "nicht notwendig"). Und in anderen Ländern sind Menschen schon an anderen Krankheiten gestorben, weil die Spitäler voll mit Corona-Patienten sind.
Der hohe Grad der Impfverweigerung hängt mit noch einem ganz anderen Faktor zusammen: mit dem sozialisierten Gratis-Gesundheitssystem. Man überlege nur den Unterschied: Wenn mein Auto eine Reparatur oder ein Service braucht, muss ich oft viel Geld hinlegen. Wenn mein Körper etwas braucht, muss das die Allgemeinheit zahlen. Was ein Teil der Menschen ebenso hemmungslos in Anspruch nimmt, wie er hemmungslos gegen die Gesundheit dieses Körpers sündigt.
Raucher müssen wenigstens über die Zigarettenpreise etliches für die Reparatur ihres fahrlässig selbst beschädigten Körpers tun (wenigstens wurden einst unter Bruno Kreisky Preiserhöhungen so begründet).
Ungeimpfte müssen hingegen gar nichts zu den ihretwegen signifikant höheren Gesundheitskosten beitragen. Und das ist, um es deutlich zu sagen, eine noch viel größere Sauerei als die Blockierung von Spitalsbetten durch Corona-Patienten.
"Gerecht" – um dieses Modevokabel der Politik zu benutzen – wäre hingegen zweifellos eine Kostenbeteiligung an den Spitalskosten oder unterschiedliche Krankenversicherungsbeiträge. In ganz ähnlicher Weise haben bei der Selbstständigen-Krankenversicherung die Nichtraucher, die zugleich ihr Gewicht unter Kontrolle halten, nur halb so viel Selbstbehalt zu zahlen wie die anderen. Auch da hat niemand "Apartheid!" gebrüllt, wenn manche Bürger ein wenig höhere Anteile der durch ihr Verhalten erhöhten Risken und Kosten tragen müssen.
PS: Seit ein paar Tagen kursieren wieder einmal Berichte, dass nun auch ein therapeutisches Mittel gegen die Folgen einer Infektion gefunden worden ist. Wunderbar. Hoffen ist erlaubt. Aber man sollte durch Erfahrung geprägt abwarten, ob dieses Medikament nicht bald wieder in der Versenkung verschwinden wird …