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Keiner der Drei

Keiner der Drei

Stärker denn je zeichnet sich nach der Runde der vom hilflosen Bundespräsidenten angeordneten "Gespräche" die weitere Entwicklung des Landes ab: Wenn alle drei Chefs der (relativ) größten Parteien des Landes an ihren jeweiligen Parteispitzen bleiben sollten – und nichts deutet darauf hin, dass da ernsthafte Revolten in Gang wären, – dann wird wohl jetzt der Versuch folgen, eine schwarz-rot-pinke Schienbeinbruchkoalition zu kleistern. Auch dieser Versuch hat aber aus einem klaren Grund wenig Chancen. Und dann dürfte etwas ganz anderes kommen.

Dieser Grund ist darin zu finden, dass ein Koalitionsabkommen erstmals nicht nur von den jeweiligen Parteivorständen abgesegnet werden muss, sondern bei der SPÖ auch von allen Parteimitgliedern in einer Urabstimmung angenommen werden muss. ÖVP und SPÖ haben heute aber absolut nur eine einzige Gemeinsamkeit: Sie wollen nichts mit einer von Herbert Kickl geführten FPÖ zu tun haben. Wie sollen sich die beiden da in den vielen inhaltlichen Punkten mit Substanz einig werden, deren Bogen von den vielen eigentlich dringend notwendigen Spar- und Reformnotwendigkeiten über die Sicherheitspolitik bis zur gesamten Wirtschafts- und Sozialpolitik reicht?

Möglich scheinen da maximal inhaltsarme, aber wortreiche Formelkompromisse, die letztlich nur zu künftigem Dauerstreit führen werden. Es gibt zwischen Schwarz und Rot so wenige gemeinsame Schnittmengen, dass es undenkbar erscheint, einen tragfähigen Kompromiss zu erzielen. Denn dieser müsste auf der einen Seite nicht nur vom neue Steuern fordernden Linkssozialisten Babler getragen, sondern eben auch von einer Mehrheit bei einer SPÖ-internen Mitgliederabstimmung.

Auf der anderen Seite müsste ein Koalitionsabkommen auch von ÖVP-Chef Nehammer seiner Partei als zumindest gleichwertig mit den wahrscheinlichen Möglichkeiten in einer blau-schwarzen Koalition verkauft werden können. Schlösse Nehammer wirklich ein solches Abkommen mit der SPÖ, hätte er keine Chance, noch länger als ein paar Monate an der Spitze seiner Partei zu bleiben. In dieser Zeit  würden noch mehr Wähler und erstmals auch Wirtschaftskreise Richtung FPÖ oder Neos davonlaufen. Es würde lediglich ein paar Monate dauern, bis man sich in den ÖVP-Kulissen auf einen Nachfolger geeinigt hat (den Geeignetsten hat  Nehammer ja geschickt nach Brüssel entsorgt). Denn die Perspektive, dass Nehammer im Kanzleramt bleibt, ist halt für bürgerliche Österreicher und die ÖVP lange nicht so bedeutend wie die Inhalte der Politik dieses Landes in einer ganz schwierigen wirtschaftlichen Situation.

Es fehlt einem jedenfalls jede Phantasie, dass Schwarz und Rot eine solche Quadratur das Kreises gelingen kann. Daher wird von Woche zu Woche ein Schreckgespenst immer mehr Realität werden: baldige Neuwahlen. Und bei denen wird dann wohl weder Herr Nehammer noch Herr Babler an der Spitze ihrer Partei antreten. Auch wenn sich derzeit da wie dort noch kein geeigneter Nachfolger abzeichnet.

Bei solchen Neuwahlen wird Herbert Kickl erst recht triumphieren und Zustimmung zu seinem eigentlich verantwortungslosen Kurs einheimsen können, jetzt keine ernsthaften Bemühungen um einen Konsens mit der ÖVP gesetzt zu haben. Denn in Wahrheit ist das, was Kickl nach den Gesprächen mit Nehammer als großzügiges Angebot verkauft hat, nichts anderes als ein Götzzitat, eine Camouflage eines "Wir wollen ja gar nicht regieren".

Das lässt sich an allen drei Eckpunkten seiner inhaltlichen Erklärung nach dem offensichtlich wenig erbaulichen Gespräch mit Karl Nehammer ablesen. Denn nichts von dem, was er da als Eckpunkte verkündet hat, ist inhaltlich ein seriöses Kompromissangebot, das wirklich einen Anti-Nehammer-Sturm in der ÖVP auslösen hätte können:

  • Das Verlangen nach einem "Kassasturz" ist vielleicht noch am ehesten der Versuch, spätere Kompromissangebote vorzubereiten: Allerdings liegen alle Defizitangaben und Prognosen von Wirtschaftsforschern und Finanzministerium längst bekannt auf dem Tisch – und alle erfordern einen massiven Spar- und Sanierungskurs, auch wenn sie sich im Detail unterscheiden.
  • Das Versprechen Kickls eines "ausgeglichenen Budgets bis Ende der Legislaturperiode" ist so billig und haben wir schon so oft gehört, dass es keine Sekunde glaubwürdig sein kann: Das wäre es nur, wenn es mit einer Liste konkreter und auch unpopulärer Einsparungsvorschläge verbunden wäre – mit dem Verlangen nach weniger Sozialausgaben für Migranten allein kann es jedenfalls keineswegs erfüllt werden.
  • Am schlimmsten aber ist, dass Kickl demonstrativ den "Europäischen Wirtschaftsraum" (EWR) außer Streit gestellt hat. Das klingt nur eine Sekunde lang und nur für völlig Ahnungslose positiv: Denn dahinter findet sich nichts anderes als eine versteckte Drohung mit einem EU-Austritt. Denn dieser EWR ist ja eine weit lockerere Verbindung als die EU. Zu ihm gehören neben den EU-Staaten auch Länder wie Island, Liechtenstein und Norwegen, die alle aus unterschiedlichen Gründen eine EU-Mitgliedschaft abgelehnt haben. Warum um Himmels willen ist Kickl nicht einmal imstande gewesen, die Mitgliedschaft in der EU außer Streit zu stellen?

Im Grunde stehen die Empfindungen der Österreicher zunehmend auf: Keiner der drei soll nächster Bundeskanzler werden. Sie sind entweder als ich-zentrierte Persönlichkeit oder wegen ihrer inhaltlichen Positionierung ungeeignet für den Job. Oder wegen beidem. Und jedenfalls denkt keiner zuerst an Österreich.

Vor allem ÖVP und SPÖ stoßen dem Umfragetrend zufolge auf noch weniger Unterstützung als am Wahltag, während sich jetzt etliche ihrer Wähler aus Ärger den Freiheitlichen zugewandt haben, weil diese vom Bundespräsidenten nicht den üblichen Auftrag erhalten haben, als erste eine Regierungsbildung zu versuchen. Die FPÖ ist im von der APA errechneten Schnitt aller Umfragen jetzt mit 30,5 Prozent so hoch wie überhaupt noch nie bei Wahlen oder Umfragen (am Wahltag waren es noch 28,9 gewesen). Die ÖVP wird im Schnitt von 25,2 Prozent unterstützt. Das ist zwar noch immer mehr als bei allen anderen Umfragen seit dem Kurz-Abschuss, aber weniger als die 26,3 des Wahltages. Noch deutlicher ist das Minus bei der SPÖ. Sie liegt mit 19,6 Prozent erstmals seit vier Jahren unter der 20-Prozent-Linie und hat seit dem Wahltag ein Minus von eineinhalb Prozent.