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Wann hört Karl Nehammer die Signale?

Wann hört Karl Nehammer die Signale?

Der Abstand zwischen ÖVP und FPÖ hat sich von 3 Prozentpunkten am Wahltag inzwischen auf ungeheuerliche 13 Punkte vergrößert. Die ÖVP ist auf das tiefe Niveau der SPÖ abgesunken. Und das ist wohlgemerkt das Ergebnis nicht bloß einer einzelnen, eventuell aus welchen Gründen immer ausreißenden Umfrage, sondern der gewogene Schnitt der letzten Umfragen. Dabei hat bei diesen nicht einmal noch voll durchschlagen können, was sich bei den Koalitionsverhandlungen abspielt, und was davon zunehmend durchsickert.

Denn da wird offenbar nicht mehr bloß eine Inflationsanpassung, sondern auch eine kräftige Erhöhung der Grundsteuer diskutiert. Da wird überdies inzwischen schon ein ganzer Strauß sehr konkreter Steuererhöhungs-Pläne vor den Österreichern ausgebreitet, von der Mineralölsteuer über eine Flächenumwidmungssteuer und Energieabgabe bis zu einer Ausweitung der Immobilienertragssteuer. Offenbar tun das die wohlweislich ungenannt bleibenden Informanten diverser Medien in der naiven Hoffnung, dass die Menschen dann am Schluss erleichtert aufatmen werden, wenn nicht alle ihnen jetzt gezeigten Folterwerkzeuge zum Einsatz kommen.

Gleichzeitig gibt es aber keinerlei Hinweise auf wirklich strukturelle Maßnahmen in Richtung auf Einsparungen. Ganz im Gegenteil: Die kolportierte Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres bringt gewaltige zusätzliche Kosten (obwohl es absolut nichts in Hinblick auf die mangelhafte Sprachbeherrschung vieler Kinder bringen wird, wie erfahrene Kindergärtner ahnen). Der einzige Punkt, wo sich nach den durchgesickerten Informationen die ÖVP durchgesetzt haben dürfte, ist eine bessere steuerliche Behandlung der Überstunden. Das ist zwar angesichts des (trotz der jüngsten Insolvenzen gegebenen) Mangels an Fachkräften eine durchaus sinnvolle Maßnahme – das ist aber natürlich an sich ebenfalls keine Einsparung, auch wenn es tendenziell eher zu Mehreinnahmen des Staates führen könnte, wenn mehr gearbeitet wird.

Es ist gewiss viel zu früh, eine Gesamtbewertung eines noch unbekannten Pakets vorzunehmen. Aber wenn wirklich auch nur ein Teil dessen an Belastungen kommt, was da zusätzlich zur jetzigen Staatsquote von 54 Prozent durchgesickert ist, wenn das wirklich vor allem die Häuslbauer, Wohnungsbesitzer und Autofahrer, also den breiten Mittelstand trifft, dann waren die fünf Prozentpunkte Verlust der ÖVP seit dem Wahltag nur ein dürres Vorspiel auf das, was da der Partei an Abstieg noch bevorstehen wird.

Wenn da wirklich etliches des Durchgesickerten kommt, dann wird man sich zwar auf die Ökonomen ausreden, die – an sich zu Recht – auf die dringende Notwendigkeit eines Ausgleichs des Staatsdefizits pochen (wozu übrigens auch Länder und Gemeinden beitragen müssten), damit Österreich nicht an Kreditwürdigkeit verliert. Aber auch rein ökonomisch gedacht können diese Steuererhöhungen nur dann sinnvoll sein, wenn auf der anderen Seite wirklich Paukenschläge an Einsparungen erfolgen – auch wenn diese eventuell erst ein Jahr später budgetwirksam werden sollten.

Dabei ist vor allem ein Paukenschlag, eine Maßnahme absolut unabdingbar, wenn man die Struktur des Budgets und den alljährlich rapide wachsenden Anteil der Sozialausgaben daran sieht: Das wäre eine kräftige und möglichst rasche Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Dabei muss es ganz eindeutig auch um das gesetzliche Antrittsalter gehen, weil die seit Jahren verwendete Politikerphrase sich längst als völlig untauglich erwiesen hat, dass man anstelle des gesetzlichen nur das tatsächliche Antrittsalter zu erhöhen brauche. Was aber ja auch nie gelungen ist.

Ein rascher Beschluss einer kräftigen Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters darf auch dann nicht ausbleiben, wenn ihr Inkrafttreten vom linken Verfassungsgerichtshof (und mangels parlamentarischer Zweidrittelmehrheit) um etliche Jahre verzögert werden sollte. Denn immer noch muss gelten: besser spät als nie. Nur durch diese Maßnahme wäre den unerbittlichen Märkten echter Sparwille glaubhaft zu machen, sodass die von Österreich zu zahlenden Zinsen nicht allzusehr in die Höhe gehen.

Abgesehen vom riesigen Budgetloch durch die explodierenden Pensionen wäre ein kräftiges Hinaufsetzen des Antrittsalters – eigentlich sollte es mindestens auf 70 Jahre erfolgen – auch aus vielen anderen Gründen gerecht und richtig: Die Menschen leben viel länger; sie leben länger gesund; die Österreicher haben seit mehr als 50 Jahren zu wenige Kinder in die Welt gesetzt; Österreich hat einen rasch wachsenden Mangel an erfahrenen Fachkräften; und die einzige Alternative, eine Kürzung der Pensionen, wäre überhaupt das Unsozialste, was die Politik tun könnte.

Insbesondere für Karl Nehammer wird es jedenfalls ohne baldige Paukenschläge wirklich eng. Ein großer Teil seiner Partei ist entsetzt, weil er von sich aus die bloße Möglichkeit von Verhandlungen mit der FPÖ vom Tisch gewischt hat, weil sein Verhalten in den letzten Wochen den steilsten Absturz der Partei seit dem Abschuss von Sebastian Kurz durch die WKStA ausgelöst hat. Landeshauptleute und Bürgermeister fürchten, durch ihn in einen für sie selbst letalen Abwärtssog zu geraten. In Wahrheit sind Nehammers Tage wohl schon gezählt.

Jetzt fordert der langjährige frühere ÖVP-Abgeordnete Martin Engelberg bereits offen das, was andere vorerst noch hinter vorgehaltener Hand sagen: eine "Neuaufstellung" der Partei und Neuwahlen im Frühjahr. Wörtlich: "Besser ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende."

Nehammers letzter Strohhalm: Es drängt sich weiterhin weit und breit kein zwingender Nachfolger auf, vor allem keiner mit der derzeit so dringend vermissten Wirtschaftskompetenz. Am ehesten ist noch die Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner im Gespräch, auch wenn sie weit weg vom Charisma eines Sebastian Kurz oder Wolfgang Schüssel ist. Sie würde aber zumindest glaubwürdig für die von Nehammer wenig beachteten konservativen Werte stehen. Sie kommt auch mit den Freiheitlichen zurecht und hat in Niederösterreich trotz eines heftigen Wahlkampfes nach der Wahl die Kluft zu diesen überwinden können. Was Nehammer nie versucht hat.

Genau diese Fähigkeit eines Umgangs mit der FPÖ wird wohl für den nächsten Chef der ÖVP die entscheidende Fähigkeit sein.

Aber noch dringender wäre es gerade für eine Partei wie die ÖVP, wieder eine glaubwürdige Persönlichkeit für den Zentralbereich Wirtschaft und Finanzen zu finden. Lässt sich vielleicht gar Martin Kocher von seinem schönen – und bequemen – Refugium in der Nationalbank noch vor Amtsantritt im letzten Moment zurückholen?