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Wie es zwischen ÖVP und FPÖ gehen könnte

Wie es zwischen ÖVP und FPÖ gehen könnte

In der Steiermark ist nicht der Faschismus ausgebrochen. Und es ist nicht die Demokratie abgeschafft worden, als jetzt eine blau-schwarze Landesregierung installiert worden ist. Genausowenig würde irgendetwas Ähnliches auf österreichischer Bundesebene passieren, sollte dort die ÖVP, wenn auch viel zu spät, erkennen, dass es zwischen ihrem Programm und dem der FPÖ viel mehr Nähe gibt als zwischen ihrem und dem der SPÖ oder dem (den Sozialdemokraten sehr ähnlichen) der Grünen. Das Faschismus- und Demokratie-Gerede ist wirklich nur noch linkes Futter für die allerdümmsten Dummies. 

Freilich gibt es bei der FPÖ zwei zentrale Punkte, die für die ÖVP ein Koalieren mit den Freiheitlichen extrem schwierig machen. Die Konzentration auf eine Korrektur dieser Punkte wäre aber jedenfalls viel wichtiger als das Mitmachen bei der linken Nazi-Hysterie, das Anrufer von der CDU/CSU ständig von der ÖVP verlangen; die Österreicher sollen nur ja nicht die gemeinsame "Brandmauer" gegen Rechts einzureißen. Die ÖVP macht zwar offiziell nicht beim Brandmauern mit, sondern hat "nur" ein Veto gegen den FPÖ-Obmann Herbert Kickl eingelegt. Aber der taktische Zweck ist derselbe. Auch wenn man nachvollziehen kann, dass Kickl als Person unsympathischer ist als so gut wie alle seiner Vorgänger, so ist dieses Veto nicht weniger dumm als das Verhalten der CDU/CSU oder der französischen Macronisten.

Eine Partei, die Respekt verdient, würde anstelle heuchlerischer Vetos gegen Personen bis zuletzt für zentrale Inhalte, für die Einkehr der Vernunft kämpfen, für die Positionen, für die sie ja gewählt worden ist.

Das am schwersten überwindbare Hindernis ist die freiheitliche Unterstützung für Moskau. Seit dem Überfall Putins auf die Ukraine ist es in der Tat unbegreiflich, warum manche Freiheitliche  nicht verstehen wollen, dass jetzt das Zusammenstehen aller, die an nationale Freiheit, die an rechtsstaatliche Demokratie glauben, gegen die russische Bedrohung, gegen einen gefährlichen Imperialismus die wichtigste Aufgabe jedes europäischen Landes ist. Für eine Partei, die das Wort "Freiheit" sogar schon im Namen postuliert, müsste dieses Zusammenstehen eigentlich doppelt logisch sein.

Sollte die FPÖ sich aber wirklich der kindischen Illusion hingeben, dass Österreich das alles nichts angehe, sollte sie glauben, dass Österreich auch nur eine Sekunde durch den papierenen Status der Neutralität geschützt wäre, sollte sie die epochale Gefahr durch Wladimir Putin nicht erkennen (oder gar auf seiner Payroll stehen) dann wäre das ein zentraler und nachvollziehbarer Grund, um aus Verantwortung für Österreich nicht mit der heutigen FPÖ eine Regierung zu bilden. Das wäre aber auch der einzige Grund, den man den Wählern glaubhaft machen kann.

Die Person Kickl ist hingegen kein ausreichender Grund. Man denke nur, mit wem aller die ÖVP schon koaliert hat – zuletzt etwa mit den Grünen, die am Ende offen zugeben, dass die Hauptabsicht, warum sie in die Regierung gegangen sind, von Anfang an der Sturz des Sebastian Kurz gewesen ist. Der Mörder im eigenen Koalitionsbett.

Gäbe es vernünftige Politiker an der Spitze der ÖVP, dann wäre schon vor drei Monaten damit begonnen worden, mit der FPÖ über eine Lösung in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik zu ringen. Das wäre inzwischen längst geklärt. Sollten diese Versuche zu keinem akzeptablen Ergebnis führen, dann bliebe der ÖVP eh nichts anderes übrig als entweder der verzweifelte Versuch einer Koalition mit Herrn Babler oder vorzeitige Neuwahlen. Sollten sie gelingen: Dann sollte man umgehend ernsthafte Regierungsverhandlungen beginnen.

Aber auch an der Spitze der FPÖ fehlen vernünftige Politiker. Denn gäbe es die, dann müssten sie schon aus Eigeninteresse darüber nachdenken, ob man wirklich darauf beharren sollte, dass Herbert Kickl an der Spitze der künftigen Bundesregierung steht. Läuft doch gegen diesen ein Strafverfahren, und das wegen haargenau des gleichen Delikts, das die WKStA Sebastian Kurz vorgeworfen hat, und das Kurz in erster Instanz eine Verurteilung eingebracht hatte. Schon nach Einbringung der Kurz-Anklage hat man es jedenfalls bei der FPÖ für völlig unmöglich gehalten, dass ein Angeklagter Bundeskanzler bleibt. Meint jetzt die FPÖ ernsthaft, dass es ihr guttäte, wenn sie ihre Meinung um 180 Grad ändert? Dass es ihr guttäte, wenn ein Bundeskanzler Kickl auf der Anklagebank sitzen muss?

Es gibt nur einen Grund für die FPÖ, das Verlangen unabdingbar zu machen, dass Kickl Bundeskanzler wird: Sie will in Wahrheit gar nicht regieren und ihre Märtyrertolle weiterhin auskosten, die sie derzeit so erfolgreich spielt. Die internationale Wirtschaftslage, die Rezession und das große österreichische Defizit wären in der Tat ein klassisches Motiv, sich von jeder Regierungsverantwortung fern zu halten. 

Ansonsten gibt es viel Vernünftiges und Richtiges bei der FPÖ – aber auch noch einen zweiten Bereich, wo die Partei verhaltensauffällig ist. Das ist überraschenderweise die Gesundheitspolitik, ein Thema, das eigentlich noch nie Wahlkämpfe beherrscht hat. Zuletzt dafür umso mehr. Die FPÖ hat dieses Thema sowohl auf Landes- wie auch auf Bundesebene forciert: In der Steiermark mit der Kampagne gegen ein neues Leitspital im Großbezirk Liezen; und auf Bundesebene mit dem Kampf gegen die Pandemie- Schutzmaßnahmen und Impfungen.

Zum Thema Corona und Impfen ist im Tagebuch schon genug gesagt worden, zuletzt etwa hier. Inzwischen bremst übrigens auch Donald Trump die Anti-Impf-Rhetorik seines Wahlhelfers und neuen Gesundheitsbeauftragten Kennedy ein.

Beim steirischen Thema Leitspital ist hingegen noch viel mehr erklärungsbedürftig. Vor allem weil die Vorgänge rund um Liezen absolut paradigmatisch für viele andere Regionen im Lande sind.

Denn eines ist klar: Wenn den Menschen ohne ausreichende Erklärungen die Wahl geboten wird zu entscheiden, ob das nächste Spital nur ein paar Schritte entfernt im eigenen Ort liegen soll oder 30 Kilometer entfernt, dann entscheiden sie sich hundertprozentig für ersteres. Erst wenn ihnen klar wird, dass sie nur die Wahl haben zwischen einem sehr schlechten Spital ums Eck und einem guten eine halbe Stunde entfernt, dann beginnen sie umzudenken.

Dazu bräuchte es aber viel bessere Kommunikationsbemühungen als bisher. Naturgemäß hat man Angst, ein Spital als schlecht zu bezeichnen – schon wegen der drohenden Klagen. Aber dieser Mut zur Wahrheit ist notwendig.

  • So hat eine steirische Verwandte von mir in einem der in der Obersteiermark von der Schließung bedrohten Kleinspitäler wegen schlechter Behandlung nach einer Sepsis einen Arm verloren.
  • So müsste man den Menschen intensiv klarmachen, dass es lebensgefährlich ist, einen Chirurgen eine bestimmte Operation vornehmen zu lassen, die dieser nur zweimal im Jahr macht. Spezialisten kann es nur dann geben, wenn es eine ausreichende "Fallzahl" gibt. Die gibt es nun mal in Kleinspitälern nicht.
  • Ebenso wichtig wäre es, viel stärker zu vermitteln, dass für praktisch alle Rettungseinsätze bei Unfällen fast nie die Dauer des Weges ins Krankenhaus entscheidend ist, sondern einerseits die Maßnahmen der Rettungssanitäter oder -Ärzte sofort bei ihrem Eintreffen an der Unfallstelle (oder von Erste-Hilfe-kundigen Passanten noch davor) und andererseits das Vorhandensein eines kundigen Unfallarztes samt Team im angesteuerten Spital. Und so etwas gibt es halt in den meisten Kleinspitälern nicht. Aber auch für alle anderen ärztlichen Künste braucht es Spezialisten.
  • So bleibt als einziger Nachteil eines Spitals ums Eck, dass es für Angehörige etwas komplizierter wird, Patienten im Spital zu besuchen. Vor allem dann, wenn sie kein Auto haben. Sobald die Politik dieses Problem als Quelle des Widerstandes gegen das Leitspital erkannt hätte, hätten von Anfang an Garantien verbreitet gehört, dass Angehörigen ohne Auto zweimal in der Woche das Taxi zum Spital bezahlt wird. Das wäre immer noch weit billiger als das gleichzeitige Betreiben mehrerer Kleinspitäler mit allen Infrastrukturkosten vom Portier bis zur Küche und zu zahllosen nicht ausgelasteten (und meist nicht auf den letzten Stand gebrachten) Geräten.

Das wäre aber eben auch medizinisch besser. Sollte es jedoch primär um die Kostenersparnis durch ein Leitspital gehen – was viele Menschen angesichts unzureichender Kommunikation vermuten –, dann könnte man ja die jeweiligen Gemeinden fragen, ob sie neben schlechterer medizinischer Qualität die zusätzlichen Kosten für ein noch dazu medizinisch wenig sinnvolles Kleinspital im eigenen Ort zahlen wollen.

Wenn jedoch die Menschen das Gefühl haben, dass einfach über sie drübergefahren wird, wenn nicht ausführlich und gewiss monate- und jahrelang die vielen gesundheitlichen Vorteile vor den Bürgern dargelegt werden, dann ist es kein Wunder, wenn man auf Widerstand stößt. Politik ist eben das Bohren dicker Bretter, ist Erklären und Kommunikation und Kommunikation und Erklären – beim Leitspital Liezen wie auch bei allen dumpfen Ängsten gegen Impfungen.