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Das Land der vielen Rückzugsgefechte und der zwei Alternativen zu Kickl

Das Land der vielen Rückzugsgefechte und der zwei Alternativen zu Kickl

Man kommt ganz außer Atem, wenn man all den Rückzugsgefechten und Frontbegradigungen folgen will, die in Österreich derzeit stattfinden: Alexander van der Bellen, Karl Nehammer, die ÖVP, die SPÖ und nicht zuletzt der ORF stehen in den letzten Stunden plötzlich ganz wo anders, als sie noch vor kurzem waren. Zweifellos ist Herbert Kickl der – verdiente – Triumphator der Stunde. Jedoch kann man im Interesse der so arg gebeutelten Republik nur hoffen, dass er begreift, dass auch er, wenn ihm wirklich an Österreich gelegen ist, dringend etliche Rückzüge antreten sollte – vor allem von etlichen seiner Wahlkampfversprechungen. Aber auch auf der ToDo-Liste des Bundespräsidenten sollten trotz des 100 Tage zu spät erfolgten Rückzugs von seinem peinlichen Verhalten Kickl gegenüber unbedingt noch weitere Rückzieher stehen.

Dazu gehört nicht nur, dass Van der Bellen endlich aufhört, den unerträglichen Eindruck zu erwecken, dass er irgendetwas Wesentliches in diesem Land bestimmen könnte. Seit den ersten Tagen des Jahres 2000 ist jedem Verfassungskenner klar, dass der Staatsnotar lediglich das nachzuvollziehen hat, worauf sich eine parlamentarische Mehrheit einigt. Er sollte aber auch dringend die blöde Formulierung aus seinem Vokabular streichen, dass ihm jetzt plötzlich die "Freiheit der Medien" am Herzen liegt.

Denn wäre diese Van der Bellen wirklich ein Anliegen, dann hätte er längst aufschreien müssen:

  • weil sich das sozialistische Wiener Rathaushausimperium mit großen Steuerbeträgen im Bereich von hunderten Millionen wohlwollende Berichterstattung gekauft hat;
  • als im Zeichen linker Political Correctness eine ganze Reihe von Regulierungen und Subventionierungen durch Parlament, EU und Justiz beschlossen und judiziert worden sind, die diese Freiheit der Medien und Meinungsfreiheit der Bürger im Zeichen eines angeblichen Kampfes gegen Hass, Hetze und "rechts" einschränkt;
  • als neue Gesetze dem linken Propagandasender ORF alljährlich ebenfalls hunderte Millionen durch Zwangsgebühren garantiert haben, da ja dadurch eine extrem unfaire Benachteiligung wirklich aller anderen Medien, ob in Print, Internet, Radio oder Fernsehen und eine unfaire Bevorzugung der linksradikalen ORF-Redaktion ausgelöst worden ist.

Medienfreiheit besteht nur dann, wenn wirklich alle Medien ein ebenes Spielfeld vorfinden, auf dem sie nicht ständig bergauf kämpfen müssen. Im Grund sind zwei ganz andere Dinge für die Medienfreiheit wirklich wichtig als solche Skurril-Aussagen des Bundespräsidenten.

Das ist einerseits das Internet, das erstmals allen Menschen Gleichberechtigung gibt, Meinungen und Informationen zu verbreiten und zu empfangen, ohne dass ein paar Dutzend Journalisten als Torwächter die exklusive Macht haben zu entscheiden, was die Menschen lesen oder hören dürfen und mit welcher desinformativen Schlagseite sie etwas zu hören bekommen. Und das ist andererseits Elon Musk, der mit viel eigenem Geld – also nicht mit geraubtem Steuergeld – einen starken Pflock gegen die Zensoren eingeschlagen hat.

Es ist also nur blamabel, wenn Alexander van der Bellen ausgerechnet jetzt anfängt, sich lautstark als Hüter einer angeblich bedrohten Medienfreiheit einzusetzen.

In einem anderen Punkt hat Alexander van der Bellen schon erfreulicherweise ganz heimlich, still und leise den Rückzug angetreten: Er wendet sich nicht mehr provokativ an alle Menschen, "die hier leben". Es scheint ihm endlich jemand gesagt zu haben, dass er der Bundespräsident der Österreicher ist und nicht jener Horden, die hier etwa das Kalifat ausrufen wollen.

Ebenso dringend sollte aber auch FPÖ-Chef Herbert Kickl einen Rückzug von vielen Wahlkampfpositionen antreten. Das, was er da jetzt alles konkret tun sollte, tun müsste, hat das Tagebuch schon vor zwei Tagen in zehn Punkten ganz klar aufgelistet.

Die Österreicher – nicht nur der Frühstücksdirektor in der Hofburg – werden sehr genau darauf achten, selbst wenn die ÖVP umfallen sollte,

  • dass Kickl all diese zehn Punkte beachtet;
  • dass er begreift, dass er jetzt nicht mehr angriffiger Oppositionsführer und Wahlkämpfer ist, sondern verantwortlicher Bundeskanzler aller Österreicher;
  • dass er in dieser Rolle niemandem außer seinem Chauffeur Weisungen geben kann,
  • dass er nur "Primus inter pares" ist,
  • dass seine Regierung zwar mit vielem aufräumen muss, dass aber in einer freien Demokratie kein Platz für Rachefeldzüge ist,
  • dass er seinen rhetorischen Stil komplett ändern muss,
  • dass er jetzt vor allem einen wirtschaftlichen Sanierungsauftrag hat, der ohne unpopuläre Maßnahmen nicht auskommen kann,
  • und dass er nicht die Nerven wegschmeißen darf, wenn künftig die Umfragewerte der FPÖ sicher nicht mehr steigen werden, sobald sie in der Regierung sitzt.

Besonders schlechte Aussichten auf eine Besserung Kickls in all diesen Punkten vermittelt sein Adlatus Hafenecker, der jetzt gleich als erste Aktion nach der Beauftragung Kickls durch Van der Bellen verlangt hat, dass Außenminister Schallenberg einer künftigen Regierung nicht angehört. Herr Hafenecker zeigt, dass die FPÖ die in der Vergangenheit an ihr begangene Fairnessverletzungen jetzt umgekehrt mit Fairnessverletzungen an einem Koalitionspartner fortsetzen will.

Man kann diese Forderung freilich auch umgekehrt sehen: Wenn die FPÖ beansprucht, dass die ÖVP eine bestimmte Person nicht in die Regierung entsendet, dann hat auch die ÖVP umgekehrt den gleichen Anspruch. Etwa, dass Kickl dieser Regierung nicht angehört. Wenn jedoch Kickl doch Bundeskanzler werden sollte, dann ist Schallenberg umgekehrt durch diesen FPÖ-Vorstoß eingemauert. Dann kann sich die ÖVP den Mann gar nicht abschießen lassen, egal was man sonst mit ihm gemacht hätte.

Die Aussagen Hafeneckers noch lange vor Einigung über eine Regierung sind also alles andere als ein gutes Vorzeichen für die jetzt geplante blau-schwarze Koalition.   

Die Volkspartei hat in den letzten Tagen wohl schon den weitesten Rückzug von früheren Fehlern angetreten, für die vor allem der politstrategisch unfähige Ehrenmann Karl Nehammer, aber zum Teil auch der Charismatiker Sebastian Kurz verantwortlich gewesen waren. Die wichtigsten dieser Fehler, die aber noch immer nicht allen in der ÖVP bewusst sind:

  1. die falsche Überreaktion auf den Ibiza-Anschlag;
  2. das Eingehen einer Koalition mit den Grünen und die vielen Kompromisse mit diesen;
  3. die Zustimmung zu einer linksradikalen Justizministerin;
  4. das "Was immer es kostet" in der Corona-Krise;
  5. das absurde Nein zu Herbert Kickl und damit die Vertreibung zahlloser Wähler von der ÖVP zur FPÖ, die vor allem einen Regierungseintritt des Herrn Babler verhindern wollen;
  6. der Glaube, mit einem Andreas Babler sinnvolle Verhandlungen führen zu können.

Die ÖVP hat sich durch diese sechs Fehler mehr geschadet, als ihr jemals sonst in ihrer Geschichte etwas übel anzurechnen gewesen ist.

Jetzt muss sie sich bewusst werden, wie sie für die wichtigen und richtigen Positionen kämpft, für die sie eigentlich immer gestanden ist. Sie darf – sollte sie am eigenen Überleben und dem der Republik interessiert sein – jetzt keineswegs automatisch alles absegnen, was Kickl in einem ersten Überschwang vielleicht tun wollte.

Das kann die ÖVP freilich nur, wenn sie auch Alternativen hat, wenn sie sich nicht erpressen lassen muss mit der Drohung durch Neuwahlen, vor denen sie sich derzeit ja mehr fürchtet als die FPÖ. Solche taktischen Alternativen sind rar, aber es gibt sie. Sie könnten neben der unverzichtbaren strategischen Rückbesinnung der ÖVP auf die inhaltlichen Kernpunkte einer ordentlichen Mitte-rechts-Partei wieder viele Stimmen von der FPÖ zurückholen. Dafür müsste die Strategie der ÖVP nur in zwei Richtungen entwickelt werden:

  • Sie muss überzeugend vermitteln, dass sie nicht mit dem – durch seine bisherige Loyalität zu Nehammer nachhaltig beschädigten – Christian Stocker in eventuelle Neuwahlen gehen würde, sondern wieder mit Sebastian Kurz, der zweifellos jener Konkurrent ist, vor dem die FPÖ am meisten Wahlangst hat.
  • Sie muss ihre Hand Richtung SPÖ insoweit ausgestreckt halten, dass sie dieser zeigt: Ein Zusammenarbeiten mit Rot (und dann wohl auch Pink) wäre dann wieder möglich, wenn an deren Spitze an Stelle intellektuell reduzierter Ideologen verantwortungsbewusste Politiker wie der Wiener Stadtrat Hanke treten. Das könnte in der SPÖ den Abschied von dem niederösterreichischen Heurigenwirt und die Rückkehr in den Kreis relevanter Parteien beschleunigen.

Das heißt nicht, dass die ÖVP diese Wege wirklich gehen soll oder muss. Aber es braucht immer Sicherheitsventile, es braucht Alternativen, wenn sich die FPÖ unter Herbert Kickl nicht mehr als jene verantwortungsbewusste Partei erweisen sollte, die sie im Jahr 2000 und 2017 noch eindeutig gewesen ist. Diese Sicherheitsventile sollten gerade dazu da sein, damit man sie nicht betätigen muss.

PS: Am Rande sei auch auf die zarten Anzeichen eines Rückzugsgefechts des ORF verwiesen. Dort hat man ganz offensichtlich Angst um die üppigen Einnahmen aus Zwangsgebühren bekommen. So hat man diesmal nicht mehr wie bei früheren Gelegenheiten die linksradikalen Anti-Kickl-Schreier am Ballhausplatz unterstützt. Gleichzeitig tun sich im Zwangsgebührenfunk jedoch ärgere intellektuelle Defizite denn je auf. Diese sah man in den letzten Stunden insbesondere bei einer ahnungslosen Redakteurin im Studio, die reine SPÖ-Propaganda verbreitete, die etwa wahrheitswidrig behauptete, dass die ÖVP gegen ein Pensionsantrittsalter von 67 Jahren gewesen sei, die etwa wahrheitswidrig behauptete, dass nur die ÖVP von der Schuld Bablers am Scheitern der Dreiergespräche rede. Dabei haben doch auch die Neos in großen Blocklettern auf ihrer Internetseite geschrieben: "ANDREAS BABLER HAT DAS SCHEITERN DER REGIERUNGSVERHANDLUNGEN ZU VERANTWORTEN". Babler habe "selbst geringfügige Reformen kategorisch" abgelehnt. Babler habe "jeden Fortschritt blockiert". Babler sei "mehrfach cholerisch und destruktiv" gewesen. Wenigstens lesen sollten sie im ORF als Gegenleistung für unsere Zwangsgebühren lernen. Oder ist das auch schon zu viel verlangt?