Musk, Schüssel und Österreich
Die politmediale Landschaft in Deutschland schäumt: Der amerikanische Präsidentenberater, Unternehmer und Erfinder Elon Musk hat sich erdreistet, eine Wahlempfehlung für die "Alternative für Deutschland" auszusprechen und ein gemeinsames Gespräch mit deren Chefin Alice Weidel zu führen, das er auch auf seiner Plattform X (Twitter) veröffentlicht hat. Das macht sprachlos.
Der grüne Abgeordnete Konstantin von Notz will ähnlich wie CDU-Geheimdienstexponenten die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit Österreich "nahezu auf Null" herunterfahren. Der SPD-Fraktionsvize Achim Post rief die CDU auf, sich von der ÖVP durch eine "klare Abgrenzung" zu distanzieren.
Die deutschen Empörungszeigefinger werden aber nicht nur gegen das kleine Österreich gereckt. Auch vor den letzten amerikanischen Wahlen hat fast jeder deutsche Politiker empört oder besorgt vor der Wahl von Donald Trump gewarnt. Und noch heftiger wurden die Ungarn aus Berlin und Umgebung vor der Wahl von Viktor Orbán gewarnt.
Wie ist es nun? Musk tut genau dasselbe wie die deutsche Politik. Er mischt sich von außen ein und sagt seine Meinung. Aber ihm ruft der deutsche Vizekanzler Habeck empört zu: "Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk!" Habeck will sogar für eine Petition gegen Musk Unterschriften sammeln.
Dürfen also Deutsche, was Amerikaner nicht dürfen? Haben sie ein exklusives Recht, sich in andere Länder mit sehr polemischen und einseitigen Untergriffen einzumischen (ohne auch nur eine Silbe über die Verantwortungslosigkeit des eindeutig am Abbruch der Dreiergespräche hauptschuldigen Traiskirchner Parteifreunds von Scholz zu sagen), aber eine Einmischung in die deutsche Politik mit Empörungsstürmen zu beantworten? Darf zwischen Demokratien nicht gleiches Recht für alle gelten?
Gewiss, kann man auch als ausländischer Politiker die Meinung äußern, eine Stimmabgabe für die AfD oder die FPÖ wäre falsch und unklug – auch wenn sich die deutschen und österreichischen Wähler davon nicht sehr beeindrucken lassen. Gewiss kann man im Westen mit gutem Recht Sorge über eine Nähe der FPÖ zu Russland haben und äußern; die Wiener Koalitionsbildner würden auch extrem gut daran tun, in den nächsten Tagen dieser Sorge absolut jede Grundlage zu entziehen. Aber dennoch ist es infam, wenn man selbst dieses Recht in Anspruch nimmt, aber anderen wie Musk das gleiche Recht abspricht und ihnen sogar unterstellt, die Demokratie in Deutschland wäre gefährdet, weil Musk mit Weidel spricht und die Wahl der AfD empfiehlt.
Ein kluger Deutscher (ja, auch die gibt es zum Glück) hat das jetzt so auf den Punkt gebracht: "Wenn Elon Musk nicht Alice Weidel, sondern Robert Habeck zum Interview geladen und in einem flammenden Wahlaufruf ("Grün ist Deutschlands letzte Rettung!") zu seiner Wahl aufgerufen hätte: Viele deutsche Medien wären nicht verstört, sondern erregt gewesen." Das ganze Gespräch wäre dann im Bildungsfernsehen gelaufen. Und auf dem "Spiegel"-Cover würde stehen: "Danke Elon!" Aber wenn es zugunsten einer Rechtspartei läuft, dann gilt das schon als eine angeblich so gravierende Beeinflussung, dass nach ihrer ziemlich sicheren Niederlage Grün oder Rot sehr wahrscheinlich eine Wahlwiederholung wegen ausländischer Beeinflussung verlangen werden.
Nein, die deutsche Demokratie ist genausowenig gefährdet durch die Meinungen des amerikanischen Unternehmers wie die österreichische durch eine FPÖ-geführte Regierung. Solche übertriebene Hysterie schadet nur der eigenen Glaubwürdigkeit.
Dabei sollten die Deutschen doch irgendwann aus der Geschichte lernen! Etwa aus jenem Teil der Geschichte, der auf den Tag genau 25 Jahre zurückliegt. Damals haben 14 EU-Länder unter Führung eines sozialdemokratischen deutschen Bundeskanzlers massive Sanktionen gegen Österreich verhängt, nur weil dieses eine von Sozialdemokraten und Gaullisten nicht erwünschte Koalition gebildet hat. Dennoch haben die Sanktionierer diese Koalition nicht verhindern können, und nach einigen Monaten mussten sie dann voller schlechten Gewissens – weil eben in Österreich der prophezeite Faschismus nicht ausgebrochen ist – den Schwanz einziehen und auf die Sanktionen vergessen.
Ganz im Gegenteil zur anfänglichen Propaganda der Sanktionierer ist die damalige österreichische Regierung Schüssel insbesondere in ihrer Wirtschaftspolitik so erfolgreich geworden, dass sie fünf Jahre später sogar von linken deutschen Medien als Vorbild für Deutschland hingestellt worden ist. Der "Stern" am 18. Juni 2005 in einer großen Geschichte: "Das bessere Deutschland: Wie haben die das bloß geschafft? Gute Stimmung, mehr Wachstum, neue Jobs: Während hierzulande Frust grassiert, Geiz zur Nationaltugend wird und die Arbeitslosigkeit steigt, geht es in der Alpenrepublik voran."
Zurück in die Gegenwart und zum immer drängenderen Wunsch: Können wir uns nicht endlich unter den Demokratien auf klare Regeln des guten Benehmens und der offenen Meinungsfreiheit einigen, dass selbstverständlich jeder alles über andere Länder sagen darf, dass niemand einem Angehörigen einer anderen Demokratie die Meinung oder den Mund zu verbieten hat? Freilich sollten wir gleichzeitig klar die Weisheit aussprechen: Kluge Politiker sollten sich sehr zurückhalten, ausländische Regierungen zu schmähen.
Denn man sieht sich im Leben immer zumindest zweimal. Jedes Land braucht einmal auch die Unterstützung anderer Länder (ja, auch die USA, Herr Präsident Trump!). Jeder Politiker hat viel mehr davon – und sein Land erst recht! – wenn er sich viele Freunde und wenig Feinde im Ausland gemacht hat.
Unerträglich und schlicht dumm ist jedoch die doppelbödige Heuchelei, die den anderen das verbieten will, was man selbst ständig praktiziert. Auch die eigenen Wähler erkennen nämlich früher oder später die doppelten Maßstäbe. Das löst nur Verachtung und den Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit aus. Dadurch stärkt man nur jene Parteien, die man eigentlich bekämpfen will. Denn in keinem Land der Welt haben es die Bürger gerne, wenn sie, wenn eine gewählte Partei von außen attackiert wird. Dann scharen sie sich in einem logischen Herdentrieb um die angegriffenen Landsleute.
Das wäre erst dann anders zu bewerten, wenn die Demokratie in einem Land wirklich bedroht wäre, wenn die Gefahr bestünde, dass sich eine Regierung bei Wahlen nicht mehr abwählen lässt, dass sie die Verfassung und Regeln des Rechtsstaats bricht, dass sie zu Gewalt greift. Dann ist es moralisch erlaubt, ja sogar geboten, deutlich Nein zu dieser Regierung zu sagen und auch Maßnahmen gegen sie zu ergreifen, wie etwa Sanktionen. Aber in Europa oder Nordamerika gibt es nur zwei solche Länder: Russland und Belarus.
In Deutschland oder Österreich hingegen besteht keine Gefahr für die Demokratie, egal wer die Wahlen gewinnt. Diese Gefahren bestehen nur in der paranoiden Angstphantasie einiger Linker, die offenbar regelmäßig einen antifaschistischen Karneval braucht, damit das eigene Selbstwertgefühl wieder neue Nahrung bekommt, damit man sich selbst wieder für etwas Edleres halten kann.
In- wie Ausländer haben das Recht, Parteien oder Politiker anderer Länder zu kritisieren. Aber das sollte immer nur wegen politischer Gründe geschehen, nicht weil man etwa auf der Linken anfängt, selbst die eigene Schreckenspropaganda zu glauben, dass der Faschismus drohe.
Ja, es ist falsch, sogar gefährlich für die österreichische und europäische Sicherheit, wenn die Republik nicht sehr bald ein gutes Raketenabwehrsystem bekommen sollte, wenn die Ukraine fallen und damit nackte Eroberungslust wieder ungehindert zu europäischen Möglichkeit werden sollte wie in früheren Jahrhunderten, wenn die EU zerfallen sollte. Aber das ist nicht undemokratisch. Das ist noch kein Faschismus. Das ist auch kein Extremismus. Das ist nur saudumm, bei all dem vielen Richtigen, was FPÖ und AfD auch sagen.
Aber differenziertes Denken hat wieder einmal so wenig Platz in Europa.