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Was für und was gegen eine Kurz-Rückkehr spricht

Was für und was gegen eine Kurz-Rückkehr spricht

Der unsichtbare, aber überall spürbare Geist im Spukschloss der österreichischen Innenpolitik hat einen Vornamen: Sebastian. Und so wie im Jahr 2017 glauben viele zu wissen, dass dieser Sebastian auch jetzt wieder wüsste, wie der verfahrene Karren der Republik und der ÖVP neuerlich in Gang zu bringen ist. Zwar ist auch heute der Karren wieder mindestens so verfahren wie damals, zwar hat fast niemand in ganz Österreich und schon gar nicht unter den ÖVP-Wählern angenommen, dass ausgerechnet den Herren Nehammer und Babler eine positiv zu bewertende Regierung oder gar eine Sanierung der Republik gelingen hätte können, und kaum mehr glauben, dass das nach seinem ersten Auftritt als beauftragter Regierungsbilder einem Herbert Kickl gelingen kann – aber dennoch: Auch die sich rapide vermehrenden Hoffnungen auf Sebastian Kurz sind eher Wunschdenken, wenn man sie genauer analysiert.

Zwar hat der noch immer relativ junge Mann das, was man Charisma nennt, und vor allem ist er brillant zu kommunizieren imstande; er vermag als einziger der politischen Akteure der letzten Jahre so etwas wie eine positive Ausstrahlung zu vermitteln. Zwar sind ihm schon einmal, eben ab 2017, zwei erfolgreiche Jahre gelungen. Zwar gibt es auch internationale Beispiele, etwa Churchill im Jahr 1939, wo ein gegen seinen Willen schon aus der Politik abgeschobener Mann von der eigenen Partei schließlich angefleht worden ist, doch zurückzukommen und das Vaterland in höchster Not zu retten. Was dem Mann mit der Zigarre mit Blut, Schweiß und Tränen damals schließlich auch gelungen ist.

Aber während es Churchill von Anfang an als weltweit anfangs fast einzigem Staatsführer auch eindeutig klar gewesen ist, was getan werden muss, um Hitlers Aggression in die Knie zu zwingen, muss man das leider bei Sebastian Kurz mit einem großen Fragezeichen versehen. Denn hinter dem verklärenden Rückblick darf man manches nicht übersehen:

  1. Seine bisher gezeigten Fähigkeiten und Interessen lagen ganz und gar nicht auf den Gebieten, um die es jetzt in erster Linie gehen muss, um Volkswirtschaft und Staatsfinanzen. Kurz hat vielmehr einst einen sachkundigen Finanzminister durch seinen Freund Blümel ersetzt – ganz offensichtlich deshalb, weil ihm jener frühere Minister allzu oft Nein gesagt hat. Was aber Aufgabe eines Finanzministers ist.
  2. Vor allem hat Kurz zumindest in seiner Kanzlerzeit nie begriffen, dass er Hand ans Pensionssystem und dabei insbesondere an den frühestmöglichen Zeitpunkt eines Pensionsantritts legen hätte müssen. Er war damals eindeutig Anhänger des Glaubens, dass jede Änderung beim Pensionssystem zu einer Wahlniederlage führen wird, und hat sie daher gar nicht versucht. Er hat darüber hinaus sogar allzu leichtfertig bei den Niedrigpensionen Erhöhungen über der Inflationsrate durchgesetzt.
  3. Er hat nach anfänglich großer Budgetdisziplin (größerer als bei den Vorgänge- und Nachfolge-Regierungen) in der Corona-Krise zu hemmungslos in die Staatskasse greifen lassen – nach dem erklärten Motto: "Koste es, was es wolle".
  4. Kurz hat den historischen und blamablen Fehler begangen, die Grünen in die Regierung zu holen und ihnen insbesondere die Justiz zu überlassen, noch dazu in Person einer Peter-Pilz-Jüngerin.
  5. Sein größtes Manko sind seine Beziehungen zu Herbert Kickl. Zwar hat Kurz 2017, so wie Wolfgang Schüssel 1999 erkannt, dass relativ sinnvolles Regieren nur mit der FPÖ möglich ist, aber er hat dann selber wohl aus Mangel an Erfahrung völlig falsch auf die kriminelle Ibiza-Intrige (eine bis heute nicht ganz aufgedeckte Aktion linker Krimineller) reagiert und nicht nur den Ibiza-Alkoholschwätzer Strache, sondern ohne haltbare Begründung auch den in Ibiza gar nicht verwickelten Innenminister Kickl vor die Tür gesetzt. Und seither ist Kickl von anscheinend unstillbarem Rachedurst erfüllt.
  6. Es gibt auch keine Anzeichen, dass Kurz seinen Fehler erkannt oder gar zugegeben oder sich gar bei Kickl entschuldigt hätte – so wie sich freilich auch Kickl nie bei der ÖVP für seine unzähligen Hassattacken entschuldigt hat.

Es gibt jedoch auf der anderen Seite etliche Punkte, die für Kurz sprechen – unabhängig davon, ob er überhaupt bereit wäre, noch einmal in die Politik einzusteigen.

  1. Er hatte einst schon am Beginn seiner politischen Zeit als erster Schwarzer vollständig begriffen, dass die illegale Massenmigration eine zentrale Herausforderung für Österreich ist. Er hätte daher zumindest in der CSU nun auch in Deutschland einen ähnlich denkenden Partner, die jeden hinauswerfen will, der straffällig geworden ist, die jeden Abzuschiebenden in unbefristete Schubhaft nehmen will, die das Bleiberecht an ein eigenes Einkommen knüpfen will.
  2. Er scheint trotz der persönlichen Geschichte mit Kickl der einzige zu sein, der das Verhältnis mit der FPÖ wieder zu entkrampfen vermag. Nehammer war es jedenfalls nicht und wollte es auch nicht. Stocker hat wahrscheinlich zu wenig Gewicht dafür.
  3. Kurz war der erste im ÖVP-Ambiente, der die Statur hatte, der CDU entgegenzutreten, während sich seit Julius Raab und seiner Staatsvertragspolitik nie jemand aus Schwarz oder Rot den Wünschen aus Deutschland wirklich entgegenzustellen wagte. 
  4. Kurz hat auch trotz fehlender volkswirtschaftlicher Prägung ein gutes natürliches Gerechtigkeitsgefühl, das es ablehnt, wenn Menschen fürs Nichtstun auf Kosten der anderen mehr als ein Überlebensminimum bekommen.
  5. Bei allen diesbezüglichen Defiziten: Kurz wirkt im Unterschied zu Kickl, Nehammer und Babler noch deutlich verantwortungsbewusster in Sachen Staatsfinanzen und Volkswirtschaft (Stocker ist da in Wahrheit ein unbeschriebenes Blatt).
  6. Kurz ist im Unterschied zu Karl Nehammer und Christian Stocker außenpolitisch sehr gut orientiert.
  7. Er hat als einziger Österreicher gute Kontakte zum Lager rund um Donald Trump, was in den nächsten Jahren besonders wichtig sein wird.
  8. Kurz ist ein glaubwürdiger Wertkonservativer und hat sich dementsprechend klar und offen als Mitte-rechts definiert, während Nehammer in einer nebulosen "Mitte" unterging.
  9. Kurz ist auch glaubwürdig im Kampf gegen die Migration; er hat vor allem die Persönlichkeit und das Standing, viel härter in der EU aufzutreten und notfalls auch mit harten Bandagen dafür zu kämpfen, dass die europarechtlichen und höchstgerichtlichen Türen für die illegale Massenmigration wieder zugemauert werden. Zugleich ist er europaweit so angesehen, dass er andere zum Kompromiss überreden kann, während Kickls Kurs immer nur einer der fruchtlosen Frontalkonfrontation ist.
  10. Kurz scheint imstande, das Verhältnis der ÖVP zum wichtigen Nachbarn Ungarn wieder zu reparieren, ohne dessen Russlandfreundlichkeit zu übernehmen.
  11. Kurz scheint auch der einzige zu sein, der die Kraft zur dringend notwendigen Dreierkoalition mit FPÖ und Neos hätte, deren Zweidrittelmehrheit nötig wäre, um die Widerstände des linken Verfassungsgerichtshofs rund um die Themen ORF, Mindestsicherung, Migration, rasche Pensionsreform zu überwinden.

Gewiss, trotz allem ist die Perspektive Kurz nicht sehr wahrscheinlich. Gewiss, jetzt wird er sich wohl klugerweise total zurückhalten, um sich anzusehen, ob die Kombination Kickl-Stocker das schafft, ewas nötig ist. Gewiss, all das ähnelt ein wenig dem Kaffeesudlesen und der verzweifelten Suche nach einem Halt in stürmischen Zeiten, der wieder Hoffnung gibt. Gewiss, auch nach Berücksichtigung der Defizite des Sebastian Kurz mag da auch eine unberechtigte Verklärung im Spiel sein.

Die Chancen auf ein Kurz-Comeback würden gegen Null sinken, sollte Herbert Kickl noch eine wundersame Wandlung im Sinne  der im Tagebuch aufgezählten Notwendigkeiten (etwa hier und hier) gelingen;, das wäre kurz gesagt eine Wandlung vom angriffigen Oppositionspolitiker zum verantwortungsbewussten Regierungschef, der keine eigene Mehrheit hat und der alternativlos ist. Das wäre auf Grund der hohen persönlichen Intelligenz Kickls immerhin möglich. Das ist aber nach seiner großen Provokationsrede schon sehr unwahrscheinlich geworden.

Hingegen sind wirklich alle anderen auf dem Tisch liegenden Alternativen eindeutig schlechter und schlimmer für das schwer gebeutelte Österreich als ein Versuch mit Kurz. Dieses Land gleicht ja derzeit immer mehr dem "Fliegenden Robert" aus dem großartigen "Struwwelpeter", der mit seinem Schirm vom Sturm davongetragen wird, bis es zu dem tragischen Schluss kommt:

"Wo der Wind sie hingetragen, ja! Das weiß kein Mensch zu sagen."