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Wie es jetzt weitergehen sollte, nein, müsste

Wie es jetzt weitergehen sollte, nein, müsste

Schon nach wenigen Stunden ist der erste meiner Wünsche ans neue Jahr in Erfüllung gegangen (köstlicherweise war es der mit der Zahl 13 versehene Wunsch). Nach dem Rückzug der Neos ist wohl nicht nur diese Dreierkoalition, sondern auch das gesamte Projekt einer Regierungsformel tot, bei der auch die Babler-SPÖ mit am Regierungstisch sitzt. Dass Schwarz und Rot es jetzt vorerst dennoch ohne Neos versuchen, ist verantwortungsloses Harakiri. Haben sie doch zusammen nur einen einzigen Parlamentssitz mehr als Blau, Pink und Grün. Haben sie doch bei den Umfragen inzwischen gar nur noch 40 Prozent – ebenfalls zusammen.

Am Charakter als Harakiri ändert auch die rituelle Rückenstärkung für Karl Nehammer durch den ÖVP-Vorstand nichts. Denn nur wer arg geschwächt ist, wer in politischer Todesgefahr schwebt, sucht überhaupt nach einer Rückenstärkung. Im Gegensatz zum gesamten medialen Mainstream war schon von Anfang an nach jeder ehrlichen Analyse klar, dass da etwas nur aus lauter Verzweiflung zusammenzukleben versucht wird, was nie und nimmer zusammenpasst, ob es nun um eine Dreier- oder eine Zweierkoalition geht.

Es ist aber auch jetzt völlig klar, was geschehen müsste, damit es gut für Österreich weitergeht. Und das ist nun sogar ein kleines Stück wahrscheinlicher geworden. Aber nur ein kleines.

Zu einer – relativ – optimalen Lösung für Österreich kann es nur dann kommen, wenn es an den Spitzen von zumindest zwei der drei großen Parteien jetzt zu Veränderungen kommt, und zwar, noch bevor es zu der von manchen schon geforderten Neuwahl kommt. Denn alle drei Chefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ haben sich als unfähig erwiesen, Österreich in eine gute Zukunft zu führen, haben sich in völlig falschen Positionen eingegraben. Aber immerhin: Jetzt sind solche Wechsel an den Parteispitzen ein Stück wahrscheinlicher geworden (diese Rücktritte sind übrigens mein Wunsch Nummer 14 gewesen …).

Sollte es hingegen nicht gelingen, dass es auch nur zu einem einzigen Wechsel kommt, dann sind vorzeitige Neuwahlen wohl unvermeidlich. Es ist völlig undenkbar, dass ein Gespann Nehammer-Babler gut für Österreich ist, dass es auf die Dauer funktionieren kann und dass es in beiden Parteien intern dauerhaft akzeptiert wird. 

Jetzt müssten jedenfalls alle Parteivorstände eine ehrliche und selbstkritische Runde über rituelle Bestätigungen des Parteichefs hinaus drehen. Vom überforderten Bundespräsidenten als Agent der Grünen ist da hingegen nichts Gutes zu erwarten – und schon gar nicht nach seinem Megafehler, nach der Wahl nicht zuerst die Freiheitlichen als großen, wenn auch nur relativen Wahlsieger mit dem Versuch beauftragt zu haben, eine Regierung zusammenzubringen. Dieser auch von ÖVP und SPÖ unterstützte Versuch wäre zwar wohl wenig aussichtsreich gewesen, er hätte aber die jetzte verbreitet kurisierende Dolchstoßlegende verhindert.

Die FPÖ

Fangen wir bei der Analyse der größten Partei an, bei der FPÖ. Herbert Kickl scheint durch den raketenartig steilen Aufwärtskurs seiner Partei bei den Nachwahl-Umfragen fest einzementiert. Die FPÖ schwebt jetzt in fast so lichten Höhen, wie sie in den letzten Jahrzehnten nur die Herren Schüssel und Kurz mit der ÖVP bei Wahlen erreicht haben – was ihnen bezeichnenderweise aber immer nur dann gelungen ist, wenn sie den Weg einer Rechtskoalition gegangen sind.

Diese Umfragenerfolge lassen einen auch nur teilweisen Rückzug Kickls oberflächlich als total unwahrscheinlich erscheinen. Jedoch:

  • Kickl hat es in den letzten drei Monaten überhaupt nicht verstanden oder versucht, funktionierende persönliche Gesprächskanäle auch nur zu einer der anderen Parteien aufzubauen (und davor im Wahlkampf mit seinen überspitzten Tönen tat er das schon gar nicht, wo man aber vielleicht noch annehmen hätte können, Wahlkampfgetöse sei nicht so ernst zu nehmen). Ohne diese Fähigkeit und Bereitschaft kann man aber nicht regieren.
  • Hochinteressant ist die Wortmeldung von H.C. Strache, der nach dem Ausscheiden der Neos vorschlägt, dass einer der in den Ländern erfolgreich und harmonisch mit der ÖVP als Nummer eins oder Nummer zwei regierenden FPÖ-Politiker jetzt Bundeskanzler werden sollte.
  • Kickl hat keine Rückzugsbereitschaft von zwei zentralen außenpolitischen Positionen gezeigt, die für absolut niemanden außerhalb der FPÖ akzeptabel sind:
    • Statt des bei allen freiheitlichen Regierungsbeteiligungen üblich gewesenen Festhaltens an der für Österreichs Wirtschaft so lebenswichtigen EU-Mitgliedschaft plappert er von dem völlig bedeutungslosen Auslaufmodell "Europäischer Wirtschaftsraum", in dem Österreich nur willenloser Untertan der EU sein könnte (was auch ein wenig an die skurrilen österreichischen Überlegungen der 70er und 80er Jahre erinnert, statt in der EU im Europarat eine tragfähige europäische Basis für die Republik zu finden). Österreich müsste im EWR de facto alternativlos nachvollziehen, was die EU-Mitglieder beschließen.
    • Dazu kommen die ebenfalls für niemanden außer der KPÖ akzeptablen Anbiederungen der FPÖ an Moskaus kriegerischen Imperialismus und die damit zusammenhängende Absage an einen eigentlich notwendigen extrem wichtigen Raketenschutzschirm für Österreich, der ja nicht nur gegen Putin, sondern auch gegen Iran und Terroristen so wichtig wäre.
  • Am gefährlichsten für Kickl ist die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es gegen ihn zu einem Strafprozess wegen haargenau des gleichen Delikts kommt, dessen Anklage Sebastian Kurz den Job gekostet hat. Die FPÖ hat damals bei Kurz aber ständig getrommelt: Es könne nicht Bundeskanzler bleiben, wer zugleich auf der Anklagebank sitzen muss. Wie soll eine solche Gleichzeitigkeit bei Kickl plötzlich glaubwürdig sein?
  • Und die FPÖ hat letztlich als Zeichen arger Kurzsichtigkeit auch die Chance auf ein Kompromissangebot an die ÖVP durch Nominierung eines Alternativkandidaten für die Bundeskanzlerfunktion versäumt, bevor die Schwarzen im Parlament der Auslieferung Kickls an die Strafjustiz zugestimmt haben. Kickl wäre damit dem durchaus erfolgreichen Vorbild des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders gefolgt, dessen Partei sogar den Regierungschef stellt, der aber selber Abgeordneter geblieben ist.

Schauen wir mal, ob Vernunft und Verantwortungsbewusstsein in der FPÖ doch noch eine Chance bekommen.

Die ÖVP

In der Volkspartei ist jetzt Nehammers Zeit endgültig abgelaufen. Seine Lage erinnert an die Endzeiten des Alois Mock (dessen Abstieg damals freilich nicht durch strategische Fehler, sondern durch seinen Gesundheitszustand ausgelöst worden ist). Damals hat ein ÖVP-naher Wirtschaftsboss inmitten lauter vordergründiger Solidaritätserklärungen – die waren schon damals üblich – den bösen Satz gesagt: Jetzt brauche es nur noch einen Stauffenberg, der den Mut habe, Schluss zu machen.

Man kann jedenfalls sicher sein, dass jetzt schon etliche ÖVP-Landesbosse intensiv miteinander telefonieren und Nehammer vorerst nur noch deshalb überleben lassen, weil sie sich noch auf keinen Nachfolger geeinigt haben. Ein solcher wird sich auch gewiss nicht aufdrängen, solange die Zadic-Justiz die Berufung von Sebastian Kurz nicht behandelt und eine zweite Anklage gegen ihn seit Jahren als Damoklesschwert über dem Ex-Bundeskanzlerr schweben lässt.

Nehammers Fehler, mit denen er sich in die jetzige Ausweglosigkeit manövriert und als bester Wahlhelfer der FPÖ etabliert hat, waren vor allem:

  • die (freilich schon von Kurz zu verantwortende) Koalition mit den Grünen, die Feuer und Wasser zu verbinden versucht und in der die ÖVP das Justizministerium einer besonders radikalen Linken überlassen hat;
  • das neue ORF-Gesetz, das den größten Feinden der ÖVP ein fettes Überleben gesichert hat (die ORF-Redaktionen sind zwar noch intensiver Feinde der FPÖ, aber das hat den Freiheitlichen, die ja ganz die Rolle als "Opfer des Systems" spielen, nur Stimmen zugetrieben – schließlich haben sie im Gegensatz zur von überhaupt niemandem unterstützten ÖVP Servus-TV hinter sich);
  • die geringen Erfolge bei der Bekämpfung der Migration, der Islamisierung und der Familienzusammeführung auf österreichischer und EU-Ebene;
  • der Kontrast seiner einsam beschlossenen Anti-Kickl-Politik zur problemlosen Kooperation der großen Mehrheit der ÖVP-Landesparteien mit der jeweiligen Landes-FPÖ;
  • das Nichtbegreifen dessen, was schon fast alle bürgerlichen Wähler gesehen haben, dass bis auf die Bereiche EU, Russland und Gesundheitspolitik die beiden Parteien ÖVP und FPÖ (sowie insbesondere ihre Wähler) auch auf Bundesebene programmatisch eng beieinander sind (wie sich auch schon in zwei recht erfolgreichen Regierungsphasen gezeigt hat);
  • Nehammers mangelnde Vorbildung in zumindest einem der beiden weitaus wichtigsten Bereichen der Politik (das sind die internationale Politik sowie der komplex Wirtschaft+Finanzen) – zusätzlich fehlt ihm auch jede ausreichend qualifizierte Ergänzung aus der eigenen Partei auf diesen Feldern;
  • seine – gleichsam spiegelbildliche – Unfähigkeit, mit Kickl eine Dialogbasis aufzubauen;
  • sein absurdes Ultimatum aus dem Frühjahr, "Ja zur FPÖ, aber Nein zu Kickl" zu sagen - Nehammer hat damit der FPÖ weitere Stimmprozente zugetrieben, weil bürgerliche Wähler erkannt haben: Dann bleibt ja nur die völlig inakzeptable Babler-SPÖ als Partner;
  • das nunmehrige neuerliche Vorpreschen eines Wichtigmachers aus der unseriösen PR-Szene, der offenbar starken und verderblichen Einfluss auf Nehammer hat, der jetzt als erster ohne jedes strategische Gefühl öffentlich von Neuwahlen spricht und der damit der ÖVP weitere Stimmen kostet;
  • der seit den Schüssel-Zeiten unterbliebene Verzicht auf echte Pension-Reformen;
  • der Verzicht auf einen strikten Sparsamkeitskurs und die damit zusammenhängende Verschuldungsausweitung;
  • Das Fehlen eines wirklich konsequenten Anti-Migrationskurses, wie ihn etwa die bayrische CSU jetzt fährt;
  • die Selbstüberschätzung der Stärke seiner eigenen Partei, die jetzt gleichzeitig sagt, dass es sowohl mit der Kickl-FPÖ, wie auch mit großen Teilen der Babler-SPÖ, wie auch mit den Grünen nicht gehe, was ein bisschen präpotent. Das ist es doppelt für eine Partei, die jetzt bei nur noch 21 Prozent steht. Bei steil fallender Tendenz.
  • Die Unglaubwürdigkeit, jetzt überrascht zu tun, weil in der SPÖ "rückwärtsgewandte Kräfte" die Überhand gewonnen hätten: Das macht es besonders absurd, wenn man mehr als drei Monate mit einer solchen Partei verhandelt und das nun auch fortsetzen will. Ist doch  Babler schon immer ein ganz linker Retro-Sozialist gewesen. 

Schauen wir mal, ob Vernunft und Verantwortungsbewusstsein in der ÖVP doch noch eine Chance bekommen.

Die SPÖ

Genauso schlimm sieht es für Andreas Babler aus. Sein Glaube, dass eine linksradikale Schuldenmach- und Steuererhöhungspolitik außer bei ORF- und sonstigen Mainstream-Journalisten auch in der Bevölkerung oder bei anderen Parteien eine Chance hätte, diskreditieren ihn komplett. Dementsprechend sind SPÖ-intern auch schon die Attacken auf ihn weit heftiger als alles, was sich bei anderen Parteien abspielt.

Babler hat seine Zukunft endgültig hinter sich gelassen und ist nur deshalb noch politisch am Leben, weil die sich aufdrängenden Nachfolger von Fußi bis Doskozil für viele innerhalb und außerhalb der Partei noch weniger akzeptabel sind, und weil die einzig tauglich erscheinenden Nachfolger, also die Herren Kaiser und Hanke, nicht wirklich nach vorne drängen.

Niemand sollte behaupten, dass es halt Kern jeder sozialdemokratischen Politik wäre, was Babler anstrebt. Wohl sind in der SPÖ die vernünftigen Menschen rar geworden – es hat sie in den Personen Androsch, Zilk, Gratz und Vranitzky einst schon gegeben –, aber der Blick ins Ausland zeigt, dass es auch heute äußerst seriöse und kluge Sozialdemokraten einer Mitte-Orientierung gibt. Und die sind noch dazu besonders erfolgreich. Da fallen einem insbesondere die verantwortungsbewussten Regierungschefs in Dänemark und Großbritannien ein, die auch gerade wegen ihres  Kurses an die Spitze gekommen sind.

Schauen wir einmal, ob Vernunft und Verantwortungsbewusstsein in der SPÖ doch noch eine Chance bekommen.

Die Neos

Und wie sieht es mit den Neos aus? Dort hat sich jetzt Beate Meinl-Reisinger mit ihrem gut argumentierten Ausstieg aus den Dreierkoalitionsgesprächen, insbesondere mit ihrem Beharren auf einer Reform des Pensionsalters zweifellos gut profiliert und wird längere Zeit an der Parteispitze völlig unangefochten bleiben – auch wenn Vorgänger Strolz gerne in die Politik zurückwill.

Dabei könnte man auch Meinl-Reisinger eigentlich etliches Kritisches nachsagen:

  • Sie hat jetzt selber zugegeben, dass sie bei diesen Gesprächen schon Steuererhöhungen zugestimmt hat, was für wirklich liberale Menschen angesichts einer 54-prozentigen Staatsquote eigentlich ein Wahnsinn ist.
  • Sie hat jetzt etwas spät die Wirtschaftsliberalität entdeckt, nachdem die Neos jahrelang fast nur als linker Schwulen-/Trans-/Gender-/Gesamtschul-/Pro-Migrations-Haufen aufgefallen sind.
  • Und sie hat auch noch bei ihrer Ausstiegsrede wilde Attacken auf die FPÖ geritten, womit sie die einzig mögliche vernünftige Lösung gleich wieder abbetoniert hat.

Schauen wir mal, ob Vernunft und Verantwortungsbewusstsein bei den Neos doch noch eine Chance bekommen.

Die optimale Lösung

Statt Neuwahlen und statt nach bulgarischer oder (früherer) italienischer Art in einen ewigen Todeskreisel zu geraten, in dem es nie eine stabile Regierung sondern nur häufige Neuwahlen gibt, kann es überhaupt keinen Zweifel geben, was jetzt nach einem Obmännertausch eigentlich das einzig Richtige und Beste für Österreich wäre: eine konstruktive Dreierkoalition. Also eine Koalition unter einem konsensbildenden Kanzler folgender Parteien:

  1. FPÖ als konsequenter Anti-Migrations-Partei mit klaren wertkonservativen Positionen minus Russland-Liebe und Impfphobie;
  2. Neos als konsequent wirtschaftsliberaler Partei mit Mut zu Pensionsreformen minus den gerade skizzierten Links-Akzenten;
  3. und ÖVP als verlässlich in Sachen Außenpolitik, EU und Landesverteidigung, die sowohl beim Wirtschaftsliberalismus (vor allem, wenn sie die nötige Rückenstärkung durch die Neos bekommt) wie auch beim Wertkonservativismus (vor allem, wenn sie die nötige Rückenstärkung durch die FPÖ bekommt) innerlich, wenn auch schwankend die notwendige Einstellung hat.

Diese Dreierkonstellation könnte auch Verfassungsgesetze ändern, die – oder deren Innterpretation durch den Verfassungsgerichtshof Einsparungen von den ORF-Gebühren bis zu den Arbeiterkammerbeiträgen, von Pensions- bis zu Migrationsreformen im Wege stehen. Aber um diese Optimallösung zu ermöglichen, müssten wohl zwei der Parteien an der Spitze etwas ändern.

Die einzig Alternative zu Blau-Schwarz oder Blau-Schwarz-Pink würde einen Wechsel der SPÖ auf einen dänisch-britischen Kurs voraussetzen. Dies ist aber wohl total unrealistisch und setzt nicht nur einen Obmannwechsel voraus.

Freilich: Es gibt kein Naturgesetz, dass alles immer in eine positive Richtung gehen müsste. Man schaue sich nur die Zwischenkriegszeit an, wo die Parteien in mehreren Ländern ihr ganzes Land mit katastrophalen Folgen gegen die Wand gedonnert haben.

PS: Das einzig Gute an der Lage ist, dass man sich derzeit wenigstens nicht mehr mit dem linken Unsinn von Grünen, Bierpartei oder KPÖ befassen muss. Denn so krank, dass sie nochmals mit den Grünen kooperiert, kann die ÖVP einfach nicht sein.