Warning: Illegal string offset 'portraitimage' in /var/www/lweb50/htdocs/science-blog.at/conf.php on line 67
Die ganz natürliche europäische Unintelligenz

Die ganz natürliche europäische Unintelligenz

Es gibt kaum eine Rede eines europäischen Spitzenpolitikers, in der nicht – zum Teil sogar mit einem leichten Schuldeingeständnis – die Rede davon wäre, dass Europa dringend eine kräftige Deregulierung bräuchte. Denn sonst fiele unsere Wirtschaft immer weiter zurück, und damit auch die Wohlfahrt und die Sicherheit Europas. Jedoch: Kaum gesagt, ist die Europäische Kommission  mit voller Energie an die nächste Regulierung einer wichtigen – nein: der wichtigsten Zukunftstechnologie gegangen.

Das ist die Künstliche Intelligenz. In Brüssel wird derzeit ein Verhaltenskodex für Allzweck-KI ausgebrütet: "General-Purpose AI Code of Practice". Grund der EU-Initiative ist der Glaube an dramatische Risiken, welche die KI angeblich mit sich brächte. Zuerst haben die Berufswarner "nur" Massenarbeitslosigkeit als Folge der Einführung von KI prophezeit, mittlerweile schwadronieren manche Panikmacher sogar schon von einem Angriffskrieg der KI auf die Menschheit.

Damit sind wir wieder dort, wo Europa seit 200 Jahren steckt. Seit Karl Marx die Verelendung durch den aufziehenden Kapitalismus an die Wand gemalt hat, seit Mediziner vor Eisenbahnzügen gewarnt haben, die schneller als 60 km/h fahren, seit Malthus bei einer Weltbevölkerung von einer Milliarde den allgemeinen Hungertod durch Überbevölkerung prophezeit hat (heute gibt es bei über acht Milliarden weit weniger Hunger als damals …), ist es in Europa überaus populär: Wer am drastischsten warnt, gewinnt – auch wenn er Unrecht hat.

In Wahrheit sind entgegen den Gruselszenarien weder Massenarbeitslosigkeit noch Massenmorde durch die KI zu befürchten. Hingegen verhindert die EU mit ihrer KI-Regulierung etwas ganz anderes: nämlich dass Europa endlich wieder die Chance hätte, bei einer Zukunftstechnologie vorne mit dabei zu sein. Statt mit allen Mitteln zu ermöglichen, dass auch in Europa junge (oder nicht mehr so junge) Genies KI-Projekte der globalen Spitzenklasse vorantreiben, binden wir ihnen gleich einmal wieder beide Hände auf den Rücken. Und merken gar nicht, wie sehr das allen Sonntagsreden widerspricht.

Aber freilich: Wenn es in der Kommission Tausende Leute gibt, die gar nichts anderes können als regulieren, dann tun sie eben genau das – und flugs haben sie schon ein Europäisches Amt für Künstliche Intelligenz geschaffen.

Und künftig werden wir halt wieder den Amerikanern und Chinesen viel Geld für die vielen hilfreichen und gewinnbringenden Anwendungen einer neuen Technik hinlegen dürfen.

Gewiss, auf anderen Gebieten scheint die EU-Kommission den dringenden Ruf der Länder und der verzweifelten Unternehmen zu hören. Sie hat jetzt ein Bürokratie-Entlastungspaket geschnürt. Aber, abgesehen davon, dass noch lange nichts gesetzlich fix ist, wird da wieder einmal mit halben Mitteln an halben Zielen gearbeitet.

Das gilt beispielsweise für das Lieferkettengesetz, das alle größeren europäischen Unternehmen zwingt, ihre Lieferanten genau daraufhin zu überprüfen, ob diese alle von Europa gewünschten sozialen und ökologischen Normen einhalten: Jetzt sollen nur noch die direkten Lieferanten überprüft werden und deren Wohlverhalten muss nur noch alle fünf Jahre überprüft werden. Das ist zwar eine spürbare Erleichterung. Das ist aber nun halt eine Regelung geworden, die sehr leicht umgangen werden kann: Warum um Himmels Willen schreddert man sie dann nicht ganz? Sind Lieferkettenkontrollen doch noch immer eine bürokratische Überflüssigkeit und für die Drittweltländer eine ärgerlich demütigende Schikane! Geschieht das nur, damit die Linke das Gesicht bewahren kann, die das durchgesetzt hat, und damit die diversen NGOs weiterhin ihre Spione aussenden können, um Importeure zu erpressen?

Ganz ähnlich halbert will Europa die Pflicht zur regelmäßigen Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten leicht entschärfen, in denen Unternehmen aufwendig alles Mögliche auflisten müssen, was sie zur Erfüllung grüner Wünsche tun (von der Abwasserverbesserung bis zur CO2-Reduktion). Aber wiederum hat man etwas unglaublich Aufwendiges nicht ganz abgeschafft, sondern nur den Kreis der verpflichteten Unternehmen reduziert. Dabei sind die Nachhaltigkeitsberichte auch für größere Unternehmen eine gewaltige Belastung: Ein einziges österreichisches Großunternehmen beschäftigt nicht weniger als 70 Arbeitnehmer für die Erstellung dieses Berichtes.

Das alles ist eine spürbare und überflüssige Reduktion der Konkurrenzfähigkeit. Solche Berichte sind auch der völlig falsche Weg, weil da eine Grauzone geschaffen worden ist, in dem die Konzerne mit viel Lyrik arbeiten können, statt dass durch Gesetze klargemacht wird, was verboten, aber auch was erlaubt und genehmigt ist.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".