
Drei Regierungserklärungen, zwei Regierungspolitiken und keine Alternative
Ist das nicht putzig: Statt einer Regierungserklärung haben wir jetzt gleich drei gehört. Alle drei Regierungschefs tragen rot-weiß-rote Anstecker. Und sie alle haben einander lieb, so wie man sich neuerdings ja auch öffentlich mit der ungeliebten Opposition dutzt (was man einst zur Vermeidung eines allzu peinlichen Kuscheleindrucks noch vermieden hat). Jedoch sind schon am ersten Tag des gemeinsamen Auftritts die grundlegenden Fehler dieser Triple-Regierung klar geworden.
- Wir haben im Grund nicht nur eine, aber auch nicht drei, sondern zwei Regierungen. Denn während Schwarz und Pink brauchbar zusammenpassen, war auch der erste Auftritt des roten Vizekanzlers Babler auf der Regierungsbank Klassenkampf pur. Bei allen netten Worten für die anderen beiden Koalitionsparteien war inhaltlich bei ihm in Wahrheit absolut nichts von der vielfach beschworenen Gemeinsamkeit zu spüren. Babler lebt noch immer im Austromarxismus der Zwischenkriegszeit. Seine nunmehrige Kampfansage an die Wirtschaft ist alles andere als geeignet, um das Vertrauen der Unternehmer, der Investoren in diese Republik zu heben. Dabei brechen die von ihm in seiner Ideologietraumwelt als "breit" bezeichneten Schultern der Reihe nach krisenbedingt zusammen. Dabei wäre das Vertrauen von Unternehmern und Investoren der wichtigste, nein: sogar der einzige Schlüssel dafür, dass Österreich endlich wieder aus dem Rezessions-Tal herauskommt.
- Dennoch beklatschten ÖVP und Neos einen SPÖ-Vizekanzler, der jetzt im Parlament wörtlich "Banken, Stiftungen und Immobilienriesen" noch mehr zur Kassa bitten wollte. Da kommt offensichtlich noch mehr an linken Forderungen, als jetzt schon bekannt geworden ist.
- Wie zum Beweis hat der Linksaußen-Finanzminister nur wenige Stunden vor den drei Regierungserklärungen auch schon einen weiteren, nicht abgesprochenen Anschlag auf die Kassen der Energieversorger angekündigt, den am Ende natürlich auch die Konsumenten und vor allem die so kriselnde Industrie zu tragen hätten. In Krisenverhandlungen konnte diese Ankündigung inzwischen zwar wieder wegverhandelt werden – aber schon das zeigt, wie irre und mühsam das alles wird.
- Die bezeichnendste Formulierung des SPÖ-Chefs auf der Regierungsbank war jene von einer "Regierung, die für die Menschen sorgt". Der in diesem Ausdruck steckende sozialistische Paternalismus bedeutet, dass nicht die Menschen für sich und den Staat sorgen und entscheiden (wie es Liberale und Konservative meinen), sondern der Staat für sie. Dieser Paternalismus ist weltweit absolut immer und überall krachend gescheitert. Ihn anzustreben ist in Wahrheit nichts anderes als ein großer Schritt zum Abbau der klassischen Demokratie und ein Schritt hin zu einem autoritären, ja totalitären Staat, der sich wie eine übergriffige Amme überall unter dem Vorwand, für sie zu sorgen, in das Leben der Menschen einmischt. Ihn als Ziel zu verkünden ist das Gegenteil von Freiheit und Subsidiarität, Begriffe, die wertkonservativen und liberalen Parteien zentral sind – oder zumindest gewesen sind. Aber jetzt belobigen sich diese beiden Parteien, mit ihm Kompromisse eingegangen zu sein, statt ihn zu kritisieren ...
- Ähnlich übel war die Ernennung des ORF zu einem Kernbestandteil der österreichischen Identität. Diesen lächerlichen Versuch machte Babler freilich gleich wieder selbst, wenn auch unbeabsichtigt, durch seine Vergleiche lächerlich, die aber halt auf seinem intellektuellen Niveau liegen: Denn er wollte den ORF dadurch rühmen, dass er zu Österreich gehöre wie das Schnitzel, die Sachertorte, sowie die Altfußballer Prohaska und Krankl. Aber für nichts von diesen vier muss ich zahlen, wenn ich sie nicht mag. Für den ORF schon. Und der Mann mit einem solchen Verständnis von der österreichischen Identität ist jetzt nicht nur Vizekanzler, sondern auch österreichischer Kulturminister!
- Genauso beklemmend ist, dass von den anderen Regierungsparteien nicht einmal ein Halbton der Kritik an oder zumindest der Distanzierung zu Babler erfolgt ist. Sie haben einfach die Bereiche Wirtschafts- und Sozialpolitik wie auch die Aussagen Bablers weitgehend ignoriert.
- Der auch hier schon mehrfach kritisierte schwere Fehler, dass man die Regierungsbank um ein Heer an Staatssekretären erweitert hat, ohne dass jemals eine ausreichende oder gar zwingende Begründung dafür geliefert worden wäre, wurde bei der ersten Parlamentssitzung für die freiheitliche Opposition wirklich zum aufgelegten Elfmeter ohne Tormann. Diese Personalerweiterung ist auch für die simpelsten Angehörigen der XYZ-Schicht als provozierend erkennbar. Sie ergibt bei jeder Fernsehübertragung einen optischen Eindruck, der in absolutem Kontrast zu den zweijährigen Sparnotwendigkeiten dieser Regierung steht, die ja natürlich am Ende immer Bürger treffen (und die mit absoluter Gewissheit auch nach zwei Jahren noch weiterbestehen werden, auch wenn uns für dann das Schlaraffenland vorgegaukelt wird, so wie andere einst nach den Mühen des Sozialismus das Paradies des Kommunismus versprochen haben).
- Es ist mehr als symptomatisch, dass Christian Stocker unter der Last, erstens eine solche janusköpfige Regierung zusammenzuhalten, zweitens das Überleben seiner eigenen, bei Umfragen auf den dritten Platz zurückgefallenen Partei zu schaffen, drittens aus den zahllosen Formalkompromissen des Koalitionspakts noch irgendeine Substanz herauszuholen und viertens Österreich im wichtigsten Gremium der Europäischen Union zu positionieren, gleich auch erkennbare physische Probleme bekommen hat, selbst wenn diese möglicherweise vorerst nur eine kurzfristige Infektion gewesen sein sollten. Stockers Belastung wird jedenfalls wohl nicht geringer werden – was den Gesundheitszustand des Bundeskanzlers so sehr zum Thema der Nation machen könnte, wie er es seit Kreiskys Zeiten nicht gewesen ist.
- Am meisten enttäuschte zweifellos, das es keinerlei substanzielle Hinweise gibt, wie die Diskrepanz zwischen der noch immer unberührt als Findling aus ferner Urzeit in der Verfassung stehenden Neutralität und den mehr als dringenden europäischen Rüstungs-, Verteidigungs- und Ukraine-Hilfsnotwendigkeiten von heute gelöst werden soll. Zwar hat Beate Meinl-Reisinger eine durchaus gute Antrittsrede auf der Regierungsbank gehalten, in der sie ausstrahlte, dass sie eine Außenministerin sein dürfte, die zumindest rhetorisch besser ist als ihr Vorgänger. Aber auch Meinl konnte oder wollte für diese Diskrepanz keinen Lösungsversuch präsentieren. Denn die logischen und notwendigen Konsequenzen aus ihrer und Stockers richtigen Aussagen fehlen, dass Neutralität nicht heißt, Recht und Unrecht gleich zu behandeln. Jeder Lösung steht auch weiterhin – und mehr als im letzten Kabinett! – der Neutralitätspopulismus der SPÖ (die ihn schon seit langem praktiziert) und der FPÖ (die ihn seit Kickl übernommen und gleich auch verschärft hat) entgegen.
- Nicht weniger enttäuschend war die Rede von Herbert Kickl. Denn ihm ist außer – teils berechtigter, teils unberechtigter – Kritik an der Regierung und lustigen Beschimpfungen nur eine einzige Lösung auf alles und jedes eingefallen: Neuwahlen. Das ist absurd, da wir erst vor einem halben Jahr Wahlen hatten. Das ist absurd, da wir ja eine Regierung mit einer klaren demokratischen Mehrheit haben. Das ist absurd, da absolut jeder Wahlkampf die Republik vorher und nachher auf viele Monate lahmlegt. Das ist absurd, solange Kickl sich außenpolitisch (aus welchen düsteren Gründen immer) so positioniert wie derzeit. Das ist angesichts der explosiven wirtschafts- wie weltpolitischen Lage nicht nur absurd, sondern auch grob fahrlässig.
Damit hat Kickl gezeigt, dass seine Person wirklich der einzige Grund ist, warum man trotz des Retro-Bleigewichts Babler hoffen muss, dass diese Regierung eine Zeitlang hält. Was im Grund aber ebenso absurd ist.
Vor allem, weil gleich in den ersten Stunden der neuen Regierung eine Reihe von Steuererhöhungen beschlossen worden sind, und vor allem ein irrwitziger Mietenstopp, der die Wohnungsknappheit vergrößern wird, und der eine De-facto-Enteignung der Wohnungseigentümer darstellt. All das haben zwei der drei Regierungsparteien noch vor kurzem strikt abgelehnt.