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Liberale in einer antiliberalen Regierung

Liberale in einer antiliberalen Regierung

Zum ersten Mal hat Österreich eine Partei in der Regierung, die von sich behauptet, zur Gänze liberal zu sein. Zum ersten Mal hat Österreich aber gleichzeitig ein Regierungsprogramm, das ganz ohne liberale Spurenelemente auskommt. Es ist vielmehr in so gut wie allen Bereichen klar links, statt grün-links halt rot-links. Der Vorwurf, dass Ministerposten wichtiger sind als die Inhalte, für die eine Partei zu stehen vorgibt, ist daher den Neos wohl noch mehr als allen anderen zu machen, wobei ÖVP und FPÖ da schon – in negativer Hinsicht – am Ende ihrer Verhandlungsrunde mit dem Streit ums Innenministerium etliches vorgegeben haben. Und dieser Vorwurf ist auch mehr als 94 Prozent der Neos-Parteimitglieder zu machen, die den Koalitionsabschluss nun jubelnd, aber in Wahrheit ohne jeden inhaltlichen Grund angenommen haben.

Von Milton Friedman über Adam Smith, John Locke und Ludwig von Mises bis Friedrich August von Hayek müssten sich alle großen Vordenker des Liberalismus im Grab umdrehen, würden sie dort noch mitkriegen, wie verkommen das Wort Liberalismus geworden ist. Nur die amerikanischen Linksdemokraten würden sich freuen, die den Sozialismus heute als "liberal" ausgeben, weil sie sich für das genieren, was sie in Wahrheit sind, eben Sozialisten.

Die völlige Liberalismus-Freiheit dieser künftigen Regierung kann man an zahllosen Punkten des Regierungsprogramms ablesen, wie auch an jenen zentralen Problemen, die dort trotz seiner Bedeutung nicht behandelt worden sind.

  1. Der größte Schlag ins Gesicht jedes auch nur ansatzweise liberal denkenden, jedes die Grundgesetze der wirtschaftlichen Anläufe verstehenden Österreichers ist zweifellos der Mietendeckel. Dieser ist ein massiver Eingriff in privatrechtliche Verträge und ein wirtschaftlicher Wahnsinn. 2025 soll per Gesetz jede eigentlich vertraglich vereinbarte Anpassung der Mietzinse an die Inflation komplett ausfallen, 2026 – egal, wie hoch die Inflation ist – soll die Erhöhung auf ein Prozent, und 2027 auf zwei gedeckelt sein. Das ist eine massiv verfassungswidrige Teilenteignung und ein Eingriff in die Privatautonomie. Es hat wohl noch nie eine wirklich liberale Partei gegeben, die einem solchen Wahnsinn zugestimmt hätte, der wirtschaftlich überdies zu einer deutlichen Wohnraumverknappung führen wird, weil niemand mehr Wohnraum vermieten wird.
  2. Der wichtigste positive Akzent, den die Neos VOR der Wahl gesetzt haben, nämlich das Verlangen nach der unbedingt notwendigen Hinaufsetzung des gesetzlichen Pensionsalters, ist in diesem Programm zur bloßen Eventualität degeneriert. Und sogar die Befassung mit diesem Thema ist so weit in die Zukunft verschoben worden, dass in der ganzen Legislaturperiode keinerlei gesetzliche Maßnahmen erfolgen müssen (obwohl angesichts der vom durch und durch sozialdemokratisch denkenden Verfassungsgerichtshof erzwungenen langen Vorlauffristen eine solche Reform unbedingt jetzt schon beschlossen werden müsste, um noch vor dem großen Crash wirksam zu werden).
  3. Nirgendwo ist eine liberale Kritik an dem zu finden, geschweige denn gibt es liberale Reformmaßnahmen dagegen, was der Chef des AMS-Wien in einem Interview mit der "Presse" so formuliert hat (wozu in seiner Position etlicher Mut gehört): "Das, was sie (die Familien) an (leistungsfreier) Mindestsicherung bekommen, können sie in der Regel nicht im Markt verdienen."
  4. Auch sonst findet sich nirgendwo eine Absicht der neuen Regierung mit einem "liberalen" Partner, den immer größer werdenden Anteil der öffentlichen Gelder zurückzuschrauben, der für wohlfahrtsstaatliche Umverteilung aufgewendet werden muss und der hauptschuld am Defizit ist.
  5. Statt dessen finden sich zu Hunderten, wenn auch oft vage Pläne und Absichten für neue Umverteilungen und soziale Mehrausgaben für alles, was gut und schön ist. Diese sind finanziell aber durch nichts gedeckt – außer durch noch mehr Schulden eines Landes, das jetzt schon die zweithöchste Abgabenquote in der EU hat. Vorerst gibt es da noch keinerlei Kostenschätzungen. Aber mit Sicherheit sind die versprochenen Mehrausgaben weit teurer als die sechs Milliarden Einsparungen, die da kurzfristig unter dem Druck der EU beschlossen werden.
  6. Es seien nur einige wenige Beispiele kommender Mehrausgaben durch im Programm stehende Projekte aus den verschiedensten Bereichen aufzulisten:
    • Die warmen Mahlzeiten in der Schule, das Lieblingsprojekt des neuen Vizekanzlers.
    • "Lohn statt Taschengeld" (also deutlich mehr Geld) für Menschen mit Behinderung in den "Tagesstrukturen".
    • Verpflichtendes zweites Kindergartenjahr.
    • Senkung der Gruppengrößen in den Kindergärten.
    • "Ausbau Telemedizin, niedergelassener Bereich, Erstversorgungsambulanzen".
    • "Attraktive Rahmenbedingungen für Berufsausübung" (im Gesundheitsbereich).
    • "Einkommensgrenze für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung anheben."
    • "Frauen in Führungspositionen bringen, MINT-Berufe und den Bereich Digitalisierung und KI bringen, halten und unterstützen."
    • "Finanzielle Absicherung von Familienberatungsstellen."
    • "Prävention und Gesundheitskompetenz weiterentwickeln, Leistungen massiv ausbauen, Impfangebot ausbauen".
    • Mehr AMS-Mittel etwa für "Arbeitsstiftungen", für unproduktive "Energiewendesektoren", für einen "Fonds für Tourismusbeschäftigte", für "Lohnsubstituierungen" bei Berufsumstieg, "für existenzsichernde soziale Arbeit für Langzeitarbeitslose", für den "Ausbau des Erhebungsdienstes" und für Dutzende andere sozialdemokratische Ziele.
    • Zahllose der geplanten Integrationsmaßnahmen, wie das bis zu drei(!!) Jahre dauernde Integrationsjahr, wie berufsbegleitende Deutschkurse auf Kosten der Steuerzahler.
    • Schaffung von "Experimentierräumen unter Mitbestimmung des Betriebsrates".
    • Möglichkeit der Anwendung von Kollektivverträgen auch für arbeitnehmerähnliche Personen.
    • Pilotprojekte für die 4-Tage-Woche.
  7. Die zweifellos zu hohen Lohnnebenkosten werden zwar gesenkt, aber nicht etwa durch Wegfall der Arbeiterkammer-Zwangsbeiträge, also eine echte Einsparung (es gibt in fast keinem westlichen Land eine so absurde Einrichtung wie die Arbeiterkammer!), sondern einfach durch Transfer der Familienunterstützungen, die bisher durch Lohnnebenkosten finanziert worden sind, in das ohnedies schon vor dem Kollaps stehende normale Budget, was dieses noch mehr belastet.
  8. Besonders drohend klingt die Formulierung: "Einsatz einer Expertengruppe zur Erarbeitung neuer Formen der Finanzierung" der Sozialversicherung: Was nichts anderes heißt als den Plan neuer oder erhöhter Abgaben oder Steuern statt Einsparungen.
  9. Das angekündigte Einfrieren der Rezeptgebühren belastet natürlich die ohnedies schwer defizitären Sozialversicherungen, die letztlich aber immer von den Steuerzahlern aufgefangen werden müssen. Das ist überdies nicht gerade ein Beitrag zum sparsamen Umgang mit Medikamenten.
  10. Es findet sich auch keine Kritik an neuen administrativen Lasten und Einschränkungen durch die EU, etwa durch die kommende Lohntransparenzrichtlinie, die nicht nur neue bürokratische Lasten auslösen wird, sondern auch Lohnerhöhungen erzwingen wird. Es ist schon klar, dass Österreich nur wenige Hebel zur Änderung von EU-Politiken hat, aber versuchen müsste man das schon. Und man wäre eigentlich doppelt zu solchen Änderungen verpflichtet, wenn man sich, wie die Neos, ständig als Erfinder der EU ausgibt (obwohl die Neos lange nach der EU gegründet worden sind, und obwohl diese ursprünglich rein das Werk christdemokratischer Männer gewesen ist – igitt: Männer!)
  11. Eine besonders schlimme Entliberalisierung (der ohnedies schon minimalen liberalen Elemente dieser Republik) ist – , um die Kassen zu finanzieren – die Einführung der Krankenversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte, was deren Lohn schmälert.
  12. Es wurde eine "Schutzverordnung für Arbeitnehmer, die im Freien arbeiten", beschlossen.
  13. Nirgendwo ist in Sachen Grundrechte – ein eigentlich urliberales Anliegen – ein Wort der Kritik an der immer weiter voranschreitenden Einschränkung des weitaus wichtigsten demokratischen Grundrechts, der Meinungsfreiheit, zu finden, also an der in viele Gesetze schon eingeschleusten Diktatur der Political Correctness, an all den einschränkenden Digital-Gesetzen der EU-Digitalgesetze oder an der de facto-Verstaatlichung vieler NGOs, die sich in Österreich wie in Deutschland von staatlichen Strukturen bezahlen lassen, um dann die Propaganda der jeweiligen Machtparteien zu trommeln.
  14. Es gibt keinerlei Sicherung, dass der nun von der Koalition angekündigte und von den Neos schon länger geforderte Bundesstaatsanwalt einer demokratischen Rückkoppelung unterliegt und nicht zum willkürlichen Staat im Staat wird (wie es bei ähnlichen Konstruktionen etwa in Spanien schon passiert ist). Dabei hat man immer glauben können, dass Demokratie etwas mit Liberalismus zu tun hat.
  15. Am absurdesten: In diesem Programm kommt 285 Mal das Wort Bildung in irgendwelchen Zusammenhängen vor. Nicht dass Bildung schlecht wäre, ganz im Gegenteil. Aber wirklich sinnvoll ist sie immer nur dann, wenn sie aus eigenem Antrieb (oder dem der Eltern) erfolgt. Hingegen ist es das Gegenteil eines liberalen Gesellschaftsverständnisses, wenn eine Obrigkeit fast rund um die Uhr allen Generationen, Geschlechtern und Berufen ständig Bildung verordnet, die halt ohne sonderlichen Leistungsdruck oder Engagement abgesessen wird.
    Aber natürlich: Die Neos verkünden seit Jahr und Tag "Bildung" als "ihr" Thema, ohne dass jemals klar geworden wäre, was sie da wirklich wollen (außer die Stimmen von Studenten und Lehrern jederlei Geschlechts). Letztlich laufen ihre phrasenreichen Ideen immer auf noch mehr Zwang hinaus. Das ist jedenfalls nicht sonderlich liberal: Zwang zum zweiten Kindergartenjahr; Zwang in Richtung Gesamtschule.

Man könnte diese Liste noch sehr lange fortsetzen, wo man sich immer fragen muss: Hat bei der Ausarbeitung dieses Programms für ein sozialdemokratisches Schlaraffenland, dessen Verwirklichung binnen weniger Jahren zu einem totalen Crash der Republik Österreich führen muss, wirklich eine sich als liberal bezeichnende Partei mitgewirkt? Hat da wirklich eine Wirtschaftskammer mitgewirkt, die so gerne vorgibt, für die ökonomische Vernunft zu stehen? Und beide haben all dem auch ausdrücklich zugestimmt?

Man fasst es nicht.

Es kann einfach nicht am Programm gelegen sein, dass die Neos in diese Regierung eintreten – zumindest, wenn sie wenigstens in Teilen noch liberal wären. Der Regierungseintritt kann nur mit den Posten zu tun haben, die sie jetzt besetzen:

  • Die Neos haben jetzt erstens das Bildungsministerium minus Wissenschaft bekommen, in das sie auch gleich die eigentlich zu den Ländern und Gemeinden gehörenden Kindergärten hineinnehmen wollen. Dass der neue Minister Wiederkehr in diesem Bereich aber absolut nichts zum Positiven zu bewegen versteht, hat er in den letzten Jahren freilich als für die Wiener Pflichtschulen, für den großen Schrecken aller Wiener Eltern Verantwortlicher gezeigt.
  • Sie besetzen zweitens das prestigeträchtige Außenministerium, wo Parteichefin Meinl-Reisinger zwar viele mediale Auftritte absolvieren kann. Das hat aber fast nichts mit liberalen Inhalten zu tun – dementsprechend gibt es in diesem Bereich auch den größten Konsens zwischen den Regierungsparteien und den größten Hauptgrund, warum sich viele Österreicher letztlich notgedrungen doch mit einem so linken Programm abfinden, weil sie den Freunden des Wladimir Putin noch weniger trauen.
  • Und drittens stellen sie einen Staatssekretär, der sich ohne irgendwelche echte Kompetenzen um Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung kümmern soll. Eine gewiss edle Absicht – aber in Wahrheit ist der Mann chancenlos: Hatten wir für diesen Bereich doch auch schon Minister, die auch nichts zustande gebracht haben. Oder glaubt man allen Ernstes, dass im Sozialministerium oder in der EU irgendjemand auch nur mit den Ohren wackelt, wenn der kleine Staatssekretär sagt: Schafft diese oder jene Schikane ab?