
Unsere lieben Bauern, die liebe EU und Amerikas lieber Trump
Verblüffend ähnlich sind sich die Denkweisen unserer Bauern und die des amerikanischen Präsidenten Trump. Der größte Unterschied liegt darin, dass Trump und seiner Zollpolitik auch im eigenen Land – und in der Außenwelt sowieso – jetzt wenigstens ein scharfer Gegenwind entgegenbläst, während Europas und insbesondere auch Österreichs Bauern, erstens, unter einem Glassturz voller lesebuchartiger Romantik stehen und, zweitens, vom gesamten Grünflügel der Linken sowie Populisten aller Art unterstützt werden. Wenn jemand an diesem Glassturz auch nur ein wenig zu rühren beginnt, dann blockieren schon Tausende Traktoren die Straßen. Die Bauern sind auch die Hauptursache, warum das nunmehrige Gegenangebot der EU an die USA, doch einen Deal in Hinblick auf Industriegüter zu machen, lächerlich und zum Scheitern verurteilt ist.
Das Hauptprinzip der europäischen Landwirtschaftspolitik ist schon Jahrzehnte alt: Innerhalb der EU herrscht auch bei Agrarprodukten Freihandel, aber zugleich werden alle Bauern Europas von der EU (das Landwirtschafts-Subventionspaket ist deren weitaus größter Ausgabenposten) einerseits hoch subventioniert. Und andererseits wird dieser europäische Agrarmarkt mit hohen Mauern gegen ausländische Konkurrenz geschützt. Diese Mauern bestehen in Form von Zöllen, Kontingenten und genauen Produktvorschriften (letztere klingen zwar nach Schutz der Konsumenten-Gesundheit, sind aber in Wahrheit primär dazu da, die billigeren Auslands-Produkte draußenzuhalten). Lediglich für Entwicklungsländer gibt es da kleinere Ausnahmen. Aber die großen und preisgünstigen Agrarländer wie Argentinien oder eben auch die USA werden ferngehalten.
Daher ist es ein schlechter Witz, wenn die EU so tut, als ob sie zu einem großartigen "Deal" im Sinne Trumps bereit wäre, wenn sie jetzt eine Herabsetzung der Zölle für Industrieprodukte auf Null anbietet. Und zwar nur für Industrieprodukte.
Aber nur bei diesen liefert die EU mehr in die USA, als umgekehrt von Amerika nach Europa exportiert würde. Bei Agrarprodukten hingegen könnten (und möchten) die USA umgekehrt viel mehr nach Europa liefern als umgekehrt. Da aber ist die europäische Agrarlobby gegen einen offenen Handel. Einem den Interessen von Konsumenten und Arbeitsplätzen dienenden Freihandelsabkommen, das auch die Agrarprodukte umfassen müsste, stehen nicht nur die Zölle und sonstigen protektionistischen Regeln entgegen, sondern auch die vor allem von den Bauern, aber auch den Linken vorgebrachten Angstargumente, in denen immer die Worte "Hormon", "Gen" oder "Chlor" vorkommen. Diese Argumente tun so, als ob die amerikanischen Bauern ständig ihre eigenen Konsumenten umbringen wollten …
Und ebenso müsste ein faires Abkommen auch Dienstleistungen erfassen. Fast jeder Konsument kennt und verwendet Leistungen amerikanischer Elektronikkonzerne, ob sie nun Google, Amazon, Facebook, Twitter(X), WhatsApp, Signal, Garmin, Microsoft oder Apple heißen. In all diesen Technologiebereichen waren und sind die Europäer absolut unfähig, etwas Gleichwertiges auf die Beine zu stellen. Die EU (und zum Teil auch die nationalen Regierungen) haben statt dessen mit einer Fülle von Regulierungen die amerikanischen Technologiekonzerne schikaniert – und gleichzeitig auch die europäischen Konsumenten, die ja am Ende jede Form einer Digitalsteuer auf die Produkte der amerikanischen Technologieunternehmen zahlen müssen. So wie Amerikas Konsumenten am Ende immer die Trumpschen Zölle zahlen.
Gleichzeitig haben die europäischen Regulatoren auch die Meinungsfreiheit der Europäer massiv eingeschränkt, indem sie die amerikanischen Internetmedien mit einem immer dichteren Zensurnetzwerk überzogen haben, das sie mit gigantischen Strafandrohungen verbunden haben. Zugleich ging die EU auch steuerlich massiv gegen die europäischen Aktivitäten amerikanischer Konzerne vor. Übrigens haben auch die Hetzprozesse der WKStA, in denen diese geradezu wahllos auf Internet-Chats bürgerlicher Politiker zugegriffen hat, indirekt zumindest in Österreich einen massiven Schaden für die einschlägige Nutzung von Internet-Diensten durch die Europäer ausgelöst. Denn viele Kommunikationen wurden seither wieder auf steinzeitliche Formen reduziert.
Hingegen ist es in Europa aus vielerlei Gründen – wie hohe Lohnkosten, hohe Regulierungen, hohe Steuern, geistige Inflexibilität, sprachliche Vielfalt – nicht gelungen, irgendwie relevante Konzerne im Computer- oder Internet-Bereich aufzubauen (auch SAP ist ja zunehmend von einem europäischen zu einem amerikanischen Unternehmen geworden). Ebenso findet auch die nächste Technologie-Revolution nicht in Europa statt, sondern nur in den USA und China: Das ist die Künstliche Intelligenz, wo Europa schon auf Grund der hohen Stromkosten nicht mitkann (die vor allem deshalb so hoch sind, weil die Europäer zum Gelächter der anderen gerade den Planeten und sein Klima retten …).
Mit anderen Worten: Solange die EU nur über den Handel mit Industrieprodukten, nicht aber über den mit Agrar-Produkten und Dienstleistungen reden will, und solange sie nicht auch über die nicht in Zollsätzen bestehenden Handelsbehinderungen für Dienstleistungen und Agrarprodukte sprechen will, ist das Gegenangebot der EU an die USA ein schlechter Aprilscherz. Brüssel glaubt aber offenbar, dass die Amerikaner geistig behindert wären und über so etwas verhandeln.
Auch der Rest, der den Europäern als direkte Antwort auf die Amerikaner bisher eingefallen ist, ist teils lächerlich, teils skandalös. Lächerlich ist es schon wegen der Größenordnung (aber auch wegen der völlig falschen Marschrichtung), wenn man die amerikanische Wirtschaft mit Zöllen für Cowboystiefel, amerikanischen Bourbon-Whisky und Harley-Davidson-Kultmotorräder, also recht marginale Produkte treffen will. Ebenso treffen auch weitere Schikanen gegen amerikanische Internet-Anbieter wiederum fast nur die europäischen Konsumenten und ihre Informations- und Meinungs-Freiheit.
Viel logischer ist ein anderer Ansatz für gute europäische Antworten auf die Trumpsche Zollmauer: Kluge EU-Politiker möchten nun gerne die lange – aus europäischem Verschulden – eingeschlafenen Handelsabkommen mit anderen Kontinenten vollenden, damit Europas Unternehmen dort jene Produktionen absetzen können, die sie bisher in die USA geliefert hatten. Dabei geht es vor allem um Mercosur, das schon lange verhandelte Abkommen mit einigen großen lateinamerikanischen Ländern wie vor allem Argentinien und Brasilien (es gibt auch Abkommens-Versuche mit anderen Weltregionen, die aber weniger aus Verschulden Europas, sondern dem der anderen Regionen nicht zustandegekommen sind – aber da dürfte Europa weniger Chancen haben, weil etwa das bevölkerungsstarke Indien trotz etlicher Liberalisierungsschritte, trotz Machtverlust der sozialistischen Kongresspartei noch immer sehr protektionistisch ist und Freihandel zum Nachteil der eigenen Bürger ablehnt).
Aber kaum, dass in Europa ein paar kluge Politiker von Mercosur gesprochen haben, hat sofort die Allianz von Bauern und Grünen aufgeheult. Die ja überall gegen Welthandel auftretenden Grünen behaupten, dass dadurch der Regenwald kaputt gemacht und der Klimakollaps kommen würde. Und die europäischen Bauern schreien – noch wirksamer – auf, weil sie die Importe billiger Lebensmittel, etwa des legendären argentinischen Rindfleischs, fürchten. Besonders laut tun sie das auch in Österreich innerhalb der ÖVP.
Damit droht auch diese Antwort-Strategie der EU zu einem Rohrkrepierer zu werden.
Damit wird jedenfalls der Schaden, den vor allem, aber nicht nur Trump angerichtet hat (wenn auch mit zum Teil aus Sicht der amerikanischen Industrie richtigen Argumenten), noch viel größer werden. Die Inflation wird wieder überall steigen, mögliche Wohlstandsgewinne kommen nicht zustande, Konsumenten leiden, Arbeitsplätze gehen verloren, Börsenkurse und damit viele Ersparnisse und Altersvorsorgen stürzen ab, die Staatsschulden explodieren (nicht zuletzt, weil die Opfer der Protektionismus-Explosion durch Subventionen und Förderungen geschützt werden), und die Rezession wird historische Ausmaße annehmen. All das ist im Grund genau wie vor dem zweiten Weltkrieg. Die damaligen Folgen sind bekannt. Statt eines Miteinanders gab es ein Gegeneinander.
Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen: Im Juni 1930 hat US-Präsident Hoover das Smoot-Hawley-Zollgesetz unterzeichnet, das haargenau dasselbe angestrebt hat wie jetzt Donald Trump. Prompt gab es Vergeltungszölle, der Welthandel brach zusammen, überall feierte der Protektionismus Triumphe – und die Große Depression verschärfte sich.
Welche gefährlichen Diktatoren und Rattenfänger in den Folgejahren davon profitieren konnten, ist bekannt.
Gibt es auch positive Folgen der Trump-Krise? Die könnte es nur in Form eines durch diese Vorgänge entstehenden Lernerfolgs geben: Denn vielleicht lernen sowohl die Amerikaner als auch die Europäer durch die Erfahrungen am eigenen Leib das, was bisher die Ökonomie nur in der Theorie zeigen konnte. Also dass der weltweite Freihandel (von den Industrie- bis zu Agrar- und Dienstleistungsprodukten!) und die Globalisierung sehr viel, ja Entscheidendes mit ihrem eigenen Wohlstand zu tun haben. Dass der Protektionismus hingegen zu allgemeiner Verarmung führt (auch wenn er vorgibt, die eigenen Arbeitsplätze oder eigenen Bauern zu "schützen"). Dass dieser Weg direkt in die Subsistenzwirtschaft des 19. Jahrhundert zurückweist, wo jeder einzelne Bauernhof bis hin zu den Schuhen möglichst alles für sich selbst erzeugen wollte. Subsistenz ist eine Wirtschaftsform, die bei uns heute unbekannt geworden ist, die man aber in Afrika noch sehr genau beobachten kann. Wo die Menschen halt im Schnitt zwanzig Jahre früher sterben, weil sie fast gar nicht in den Handelsaustausch eingebunden sind.
Aber dafür haben sie in Afrika halt einen höheren Anteil von Bauern als der Rest der Welt. Die darben "geschützt" gegen den bösen Handel und die böse Konkurrenz ...